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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Servin!« sprach er, »daß Ihre Schülerinnen Sie verließen. Ich habe den Ruf des edelsten, herrlichsten Wesens unter der Sonne vernichtet. – Je nun! Seit ich dem Kaiser diene, wandte sich ja auch sein Glücksstern, und ein Freund nach dem andern fiel ab von ihm. Ich liebte ja auch Labedoyère, und darum ward er vorige Woche erschossen. – Ich bin ein Heilloser, der stets, ohne zu wollen, den trefflichsten, besten Menschen zum Verderben gereicht. Lassen Sie mich fliehen in die fernste, entlegenste Einöde, ehe meine fürchterliche Nähe noch mehr Böses anstiftet. Ja. ich fühl's, die höheren Mächte haben mich verworfen – glauben Sie mir nur, alles Unheil, das ich anrichte, trage ich in dieser Brust.« Flehend nahte er sich Ginevra, welche das Wort nahm:
    »Herr Servin! ich bin reich, ich entschädige Sie.«
    »Warum nicht gar?« rief der heitere Maler. »Lassen Sie nur bekannt werden, daß ich ein Opfer der royalistischen Verleumdung bin, so senden mir die Liberalen ihre Töchter, und ich bin besser daran und obendrein Ihr Schuldner. – Ich mache mir aus nichts etwas und besorge nichts als – meine Frau. Ach Gott! Madame Servin wird ihren Kopf aufsetzen, und es gibt eine Gardinenpredigt.«
    »Herr Porta!« begann Ginevra plötzlich entschlossen, »eine hohe Person, welche der Tochter des Baron von Piombo nichts abschlagen darf, hat gegenwärtig ein Gesuch von mir in Händen, anlangend Ihre stille Begnadigung.«
    »Herrliches Mädchen!« rief Servin.
    »Ich bin meiner Ehre eine Genugtuung schuldig!« fuhr Ginevra fort, »und bin zu einem Schritte entschlossen, zu dem kein anderer Augenblick mich bewogen hätte. Herr Porta, wenn Ihre ersten Worte, Ihre Blicke und Ihr ganzes bisheriges Wesen mich nicht getäuscht haben, so lieben Sie mich, und vielleicht habe ich Ihnen eine viel zu große Teilnahme bewiesen, um mir selber ferner noch verheimlichen zu dürfen, daß Sie mir nicht gleichgültig sind. – Doch das gilt gleichviel. Ich wähle Sie zu meinem Gatten, wenn nicht Verhältnisse, die Ihnen annoch unbekannt sind, Sie bestimmen, zurückzutreten, oder meine Eltern bewegen, ihre Einwilligung mir zu versagen.« –
    Der Jüngling stürzte zu ihren Füßen. »Worte,« rief er, »nennen Ihren Wert nicht, noch die Anbetung, die ich für Sie hege. – Ich soll Napoleon entsagen, dem Verlorenen? soll dem Könige dienen. Oh, daß ich störrisch dem Willen eines Engels mich widersetzen konnte! Hinweg, Napoleon! mein Vater, mein Wohltäler, mein Held! Es lebe der König! Ginevra will es, oh, was tat ich nicht alles, um ihrer wert – ihrer wert? – nein, das bin ich nicht und werde es nie – nur um in den Augen der Welt einer solchen Gattin wert zu sein! – Ich bin nicht unglücklich mehr. Sie sind mein guter Engel!«
    »Junger Mann!« sprach Ginevra ernst, »Sie kennen weder sich noch mich. Frohlocken Sie darum nicht zu früh. – Herr Servin!« begann sie darauf zum Maler, »sobald die Begnadigung erschienen, verfügen Sie sich zu den Müttern der leichtsinnigen jungen Damen und erklären ihnen alles, was vorgefallen ist, und auch, was Sie mich soeben haben tun sehen!«
    Ehrfurchtsvoll verbeugte sich der Maler vor der jungen Baronesse, welche, den Jüngling freundlich grüßend, sich entfernte.
    »Sie liebt mich!« sprach dieser, »nicht wahr? Sie hat es ja zugestanden, ich bin ihr nicht gleichgültig? Nein! Sie liebt mich nicht! Was besitze ich wohl ihrer Liebe Würdiges? Von Teilnahme hat sie nur gesprochen, meines Unglücks halber. Und meine politischen Grundsätze billigt sie, nicht mich. Ihrer verletzten Ehre halber reicht sie mir die Hand, nicht aus Liebe!« –
    »Stille! mein Freund,« versetzte Herr Servin. »Lernen Sie Ihre stolze Braut verehren, die zu hoch denkt, um sich ihren Gefühlen zu demütigen.«
     
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    »Schon sechs Uhr vorüber und Ginevra noch nicht heim!« rief Bartholomeo unwillig.
    »So lange blieb sie noch nie im Atelier,« versetzte die Baronesse besorgt.
    Bartholomeo war zu unruhig, um länger sitzen zu können. Er ging zweimal im Zimmer auf und nieder, mit ziemlich raschen Schritten für einen Greis von siebenundsiebzig Jahren.
    Seit seiner Ankunft in Paris hatte sich sein Haar gebleicht und war auf dem Schädel gänzlich geschwunden. Das Alter hatte tiefe Furchen in Antlitz und Wange ihm gezogen, nur seine Augen blitzten noch zuweilen in jugendlichem Feuer, hatten samt den Brauen ihre furchtbare Beweglichkeit behalten, und er hielt sich immer noch schnurgrade. Er verdankte
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