Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
habe, wie Sie wissen, unternommen, nicht nur mein Leben, sondern auch meine Meinungen zu schildern, weil ich hoffe und erwarte, daß wenn Sie erst meinen Charakter kennen und wissen, was für eine Gattung Sterblicher ich bin, dies Ihnen mehr Geschmack für die letzteren geben würde. Je länger Sie mit mir fortschreiten, desto mehr wird die Bekanntschaft, die jetzt zwischen uns begonnen hat, sich in einen vertrauten Umgang verwandeln, und wird, wenn nicht Eines von uns das Andere im Stich läßt, endlich mit einer vollkommenen Freundschaft schließen.
O diem praeclarum
! Dann wird nichts, was mich betroffen hat, mehr unbedeutend oder langweilig erscheinen. Wenn Sie, mein theurer Freund und Gefährte, daher der Ansicht sein sollten, daß ich beim Beginn unserer Wanderung etwas sparsam in meiner Erzählung zu Werke gehe, so gedulden Sie sich mit mir, und lassen Sie mich nur so fortmachen und meine Geschichte auf meine Weise erzählen; und wenn Sie meinen sollten, ich trödle manchmal zu lange unterwegs, oder ich setze für ein Paar Augenblicke eine Narrenkappe sammt Schelle auf, so laufen Sie mir nicht davon, sondern haben Sie die Güte und trauen Sie mir etwas mehr Weisheit zu als es nach meinem Aeußeren scheinen möchte; und während wir so fort trotteln lachen Sie mit mir, oder meinetwegen auch über mich oder thun Sie was Sie mögen, nur bleiben Sie bei guter Laune.

7. Kapitel.
    In dem nämlichen Orte, wo mein Vater und meine Mutter wohnten, lebte auch eine dünnleibige, ehrliche, mütterliche, würdige, brave alte Hebamme, welche mit Hilfe von einigem gesunden Menschenverstand und mehrjähriger Geschäftserfahrung, wobei sie sich übrigens immer wenig auf ihre eigene Kunst, um so mehr aber auf die der Mutter Natur verließ, sich in ihrer Art einen nicht geringen Ruf in der Welt erworben hatte; ich muß Euer Wohlgeboren übrigens bemerken, daß ich unter dem Worte »Welt«, hier nur einen kleinen etwa 4 englische Meilen im Durchschnitt messenden Kreis auf dem Erdkreis verstehe, dessen Centrum das Häuschen vorstellt, in welchem die gute alte Frau wohnte. Sie war in ihrem 47. Lebensjahr zu einer sehr armen Wittwe geworden, die 3–4 kleine Kinder zu ernähren hatte; und da sie zugleich eine Frau von ehrbarem Lebenswandel, würdigem Benehmen, überdies eine Frau von wenig Worten und dabei ein Gegenstand des Mitleids war, deren Noth, die sie noch dazu schweigend trug, um so lauter eine freundliche Unterstützung bevorwortete, so war die Frau Pfarrerin des Sprengels davon gerührt worden. Und da diese oft Gelegenheit hatte, einen mißlichen Umstand zu beklagen, der ihres Gatten Heerde seit Jahren belästigte, indem keinerlei Art von Hebamme oder der gleichen, und wenn der Fall noch so dringend war, aufzutreiben war, wenn man nicht 6–7 Meilen weit ritt, welche 7 Meilen in dunkeln Nächten und bei schlechten Straßen, da die Gegend hier herum aus zähem Lehmboden bestand, sich leicht in 14 verwandelten, was dann der Wirkung nach so viel war, als ob man gar keine Hebamme hätte, so fuhr es ihr durch den Kopf, daß es ebensowohl eine zeitgemäße Wohlthat für die ganze Gemeinde wie für die arme Frau selbst sein würde, wenn man ihr einigen Unterricht in den einfachen Grundsätzen dieses Berufs ertheilen lassen könnte, um sie dann als Hebamme hier aufzustellen. Da Niemand dort besser in der Lage war, diesen Plan auszuführen als sie selbst, so unterzog sich die brave Frau Pfarrerin der Aufgabe, und da sie einen großen Einfluß auf den weiblichen Theil des Sprengels übte, so fand sie keine Schwierigkeit dieselbe ganz nach ihrem Wunsche zu lösen. Der Pfarrer ging hiebei Hand in Hand mit seiner Frau, und um die Sache ganz ordnungsmäßig in Scene zu setzen. und dem armen Geschöpf ebenso ein gesetzliches Recht zur Praxis zu erwerben, wie es seine Frau durch den Unterricht gethan, bezahlte er mit Vergnügen die Sporteln für den Rechtstitel, welche in Summa achtzehn Schillinge und vier Pence betrugen. So ward denn das gute Weib durch jene Beiden in den ganzen realen und leiblichen Besitz ihres Amts mit all dessen »Rechten, Theilen und Zugehör irgend welcher Art« eingesetzt.
    Diese letzten Worte entflossen nicht etwa der alten Form, in welcher derartige Gerechtssame, Befähigungen und Befugnisse liefen, welche in ähnlichen Fällen hier zuvor der Schwesterschaft eingeräumt worden waren; sie schrieben sich vielmehr aus einer hübschen Formel von Didius eigener Erfindung her, der eine besondere Grille besaß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher