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Lebe wohl, Erde!

Lebe wohl, Erde!

Titel: Lebe wohl, Erde!
Autoren: Frederik Pohl
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leben!
    Aber wo war der Bohrer? Er suchte vergeblich nach dem Kabel.
    Das ließ darauf schließen, daß die beiden Frauen irgendwo über ihm einen Seitenstollen geschmolzen hatten. Dort waren sie jetzt und warteten darauf, daß er sie rettete.
    Ohne auf die Schmerzen zu achten, drückte er eine Hand gegen die Seite des schrägen Tunnels, so hoch es ihm zu greifen gelang. Das Eis schmolz genug, daß er Halt finden konnte. Er zog sich hoch, preßte die andere Hand über ihm ins Eis und stieß auch seinen Fuß gegen das Eis. Auf diese Weise arbeitete er sich, wenn auch unerträglich langsam, hoch. Als er etwa fünf Meter so zurückgelegt hatte, stieß sein Kopf plötzlich an das Kabel, und gleichzeitig streifte ein starker Luftzug seinen Rücken. Er faßte nach dem Kabel, drehte sich um und sah, weniger als hundert Meter entfernt durch einen horizontalen Eistunnel den schwachen Schein einer Handlampe.
    Der weitere Weg war ein Kinderspiel, obgleich er in dem Tunnel nicht aufrecht gehen konnte. Das Licht blieb nicht an einer Stelle, es bewegte sich.
    »Beatta!« brüllte er. »Christine! Beatta! Ich bin hier!«
    Er hörte einen Freudenschrei. Es war Beattas Stimme.
    »Kye! O mein Liebling – ich war sicher, daß du kommen würdest!«
    Er schloß sie in die Arme. Worte waren unnötig. Doch plötzlich wurde Kye bewußt, daß Beatta allein war. »Ist Christine Abrudson denn nicht mit dir gekommen?« fragte er.
    Beatta schluckte. »Ich – ich glaube, Christine ist tot, Kye«, flüsterte sie. »Ich hatte vergessen, Kye, wir müssen leise sein. Etwas Schreckliches ist hier. Schau!«
    Zuerst konnte er gar nichts sehen. Dann erkannte er eine gewaltige Höhle vor ihnen, bestimmt hundert Meter hoch und weit. Und darin …
    … befand sich eine Form, eine Gestalt, die er nicht klar erkennen konnte. Er strengte die Augen an. Sie leuchtete offenbar ganz schwach aus sich heraus und sah aus wie eine Statue.
    Aber sie lebte! Sie bewegte sich! Jetzt erkannte er ganz deutlich den Kopf, und ein großes, schimmerndes Auge öffnete sich. Es war rot und so leuchtend wie ein Katzenauge im Dunkeln. Es starrte Kye ohne sichtbare Gefühlsregung an, und da spürte er, wie die Stumpfheit ihn wieder übermannte. Dazu kam eine schreckliche Pein, eine seelische Qual, die ihn die Schmerzen seiner wunden Hände vergessen ließ. Abrupt schloß das Auge sich wieder.
    »Was ist es?« keuchte Kye.
    Beatta schauderte. »Ich weiß es nicht, aber Christine ging hinunter, um es sich näher anzusehen, vor Stunden schon. Kye – sie ist nicht zurückgekommen. Ich habe solche Angst!«
     
    Das Kabel ruckte. Sie eilten zum Tunnelrand und schauten hinunter. Christine Abrudson kam hochgeklettert. Kye zog sie in den Stollen. Sie schien Schreckliches mitgemacht zu haben. Ihre Kleidung war mitgenommen, ihr Gesicht eine starre Maske. Ihre Stimme klang hysterisch.
    »Kye! Gott sei Dank, daß du hier bist!« Sie stützte sich auf ihn, als sie alle drei auf dem Tunnelboden saßen. Ihre Kraft war völlig erschöpft. Sie begann vor sich hin zu kichern, während die Tränen über ihre Wangen strömten.
    »Christine! Was ist denn?« flüsterte Beatta.
    Das Mädchen warf den Kopf zurück und lachte hysterisch. »Nichts. Ich lebe wieder!«
    Kye packte sie an der Schulter und schüttelte sie. »Christine!« sagte er eindringlich. »Was meinst du damit?«
    Plötzlich beruhigte sie sich. Ihre Stimme klang ruhig mit einem Unterton tiefster Ehrfurcht. »Kye, ich war tot! Dieses monströse, furchterregende Wesen dort drinnen tötete mich – und brachte mich wieder ins Leben zurück!«
    »Weshalb, Christine? Weshalb?« wisperte Beatta grauenerfüllt.
    »Ich weiß es nicht. Weil es stirbt und sich nicht bewegen kann und unvorstellbare Schmerzen erleidet. Ich lenkte es eine Weile ab, das war alles. O Beatta, es ist furchtbar, tot zu sein. Man kann sehen und hören, aber sich weder bewegen noch sprechen. Ich versuchte, dir zu antworten, als du mich riefst, Beatta – aber ich konnte es nicht. Ich war tot! « Ihre Stimme brach in einem Wimmern ab.
    Reine Hysterie, sagte Kyes Vernunft immer wieder. Man kann nicht sterben und wieder leben. Aber Kye glaubte seiner Vernunft nicht, weil sie keine Erklärung für die Kreatur dort in der Höhle hatte.
    »Was ist dieses – Geschöpf?« fragte er. »Wie kam es hierher?«
    »Es ist von dem Kometen. Es lebte dort, Kye. Und als er im Schwerefeld der Erde barst, befand es sich auf einem Teil, das von der Erde angezogen wurde. Es fiel hier herunter
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