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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
Autoren: Laurence Sterne
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Muskelstärke, seines Manneskraft dabei fadendumm geworden, seine eigenen animalischen Regungen über alle Beschreibung erschüttert, und er in diesem traurigen, zerrütteten Nervenzustand für lange, lange neun Monate niedergelegt worden wäre, eine Beute von Zuckungen, von melancholischen Träumen und Phantasien, ich zittere bei dem Gedanken, wie hierdurch der Grund zu tausend Schwächen des Leibes und der Seele gelegt werden konnte, die keine Kunst des Arztes oder Philosophen später je wieder in Ordnung zu bringen vermocht hätte!
     
    3. Kapitel
    Die vorstehende Geschichte verdanke ich meinem Onkel Herrn Tobias Shandy, gegen den sich mein Vater, der ein tiefer Denker war und sich gerne in Betrachtungen über die anscheinend kleinsten Dinge einließ, oft und schwer wegen jener Beeinträchtigung beklagte. Einmal tat er dies ganz besonders lebhaft, wie sich mein Onkel Toby wohl erinnerte, als er bemerkte, wie ich meinen Kreisel in einer ganz unbegreiflichen Schiefe (wie er es nannte) aufstellte; und die Grundsätze nach welchen ich so getan, rechtfertigend, schüttelte der alte Mann den Kopf und sprach in einem mehr kummer- als vorwurfsvollen Tone: sein Herz habe das Alles längst geahnt und er sähe hieraus, wie aus tausend anderen Bemerkungen, die er an mir gemacht habe, dass ich niemals wie ein anderes Menschenkind denken oder handeln würde. Aber ach! fuhr er fort, indem er abermals den Kopf schüttelte, und eine Träne abwischte, die ihm die Backe herablief, das Missgeschick meines Tristram begann ja schon neun Monate, ehe er zur Welt kam!
    Meine Mutter, die dabei saß, schaute auf; doch was mein Vater damit sagen wollte, war ihr so fremd wie ihre hintere Partie; mein Onkel Tobias Shandy aber, der die Geschichte öfter gehört hatte, verstand ihn sehr wohl.
     
    4. Kapitel
    Ich weiß, dass es Leser auf der Welt gibt, – so gut wie noch viele andere liebe Leute, die durchaus keine Leser sind – welchen es nicht wohl ist, wenn sie nicht von A bis Z in das ganze Geheimnis von Allem und Jedem, was uns betrifft, eingeweiht sind.
    Aus reiner Gefälligkeit für die Grillen dieser Leute und aus einer nur angeborenen Schwäche, ja keine lebende Seele in ihren Erwartungen täuschen zu wollen, bin ich bisher schon so weitläufig gewesen. Da mein Leben und meine Meinungen voraussichtlich einigen Lärm in der Welt machen werden, und wenn ich richtig rechne, alle Stände, Berufsarten und Sorten von Menschen packen, ja nicht weniger werden gelesen werden, als: »des Pilgers Wanderung«, so dass am Ende aus ihnen wird, was Montaigne für seine »Essais« fürchtete, nämlich ein Buch, das im Fenster des Besuchszimmers liegt, so halte ich es für nötig, Jedermann der Reihe nach um seinen Rat zu bitten. Ich bitte deshalb um Entschuldigung, wenn ich noch ein Stück weit so fortmache. Es ist mir deshalb auch ganz recht, dass ich meine Lebensgeschichte auf die Art begonnen habe, wie es geschehen ist, und dass ich jetzt so fort machen, und Alles wie Horaz sagt, ab ovo behandeln kann.
    Ich weiß wohl, Horaz empfiehlt diese Mode nicht unbedingt, aber der Herr spricht da auch nur von einem epischen Gedichte oder von einer Tragödie (ich weiß nicht mehr von welcher;) wenn es nicht so wäre, möchte ich Herrn Horaz um Entschuldigung gebeten haben; denn bei der Beschreibung, die ich mir vorgenommen habe, werde ich mich weder an seine Regeln noch an die Regeln von irgend einem lebenden Wesen halten.
    Denjenigen aber, welche in solchen Dingen nicht gerne so weit zurückgreifen, kann ich keinen anderen Rat geben, als dass sie den Rest dieses Kapitals überschlagen mögen; denn ich erkläre zum voraus, dass derselbe nur für die Wissbegierigen und Naseweisen geschrieben ist.
    Jetzt macht die Türe zu! – Ich ward in der Nacht vom 1. Sonntag auf den 1. Montag im Monate März des Jahres unseres Herrn Ein Tausend Siebenhundert Achtzehn gezeugt. Ich weiß das ganz bestimmt. Wie ich aber dazu kam in einer Sache, die vor meiner Geburt geschah, so genau zu Hause zu sein, das beruht auf einer andern kleinen Geschichte, die nur in unserer Familie bekannt ist, die ich aber jetzt an die Öffentlichkeit ziehe, um diesen Punkt besser aufzuklären.
    Mein Vater, müssen Sie wissen, war ursprünglich ein Kaufmann, der nach der Levante machte, hatte aber sein Geschäft schon vor einigen Jahren aufgegeben, und sich auf sein väterliches Erbgut in der Grafschaft — zurückgezogen, um dort den Abend seines Lebens zu verbringen. Dieser mein Vater war,
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