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Last days on Earth: Thriller (German Edition)

Last days on Earth: Thriller (German Edition)

Titel: Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Autoren: Julian Frost
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Reproduktion in seinem Arbeitszimmer hing. Aber die Zeit hatte die weichen Linien des jungen Gesichtes zu Kanten geschliffen und um seine Augen kleine Fältchen gezeichnet. Sein Äußeres war immer noch das eines jungen Mannes – bis man in seine Augen sah.
    »Musst du nicht arbeiten?«, fragte Karla nach einer Weile.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe Thomas Bescheid gesagt, er kann mich gut mal eine Nacht vertreten. Im Casino ist im Moment sowieso nicht viel los, und um die Mädchen kümmert sich Angelika.«
    »Hmmm«, brummte Karla und streckte sich. »Dann können wir ja noch zusammen frühstücken. Wann geht die Sonne auf?«
    Er lächelte nur.
    Es war ein bedeckter Morgen, und das Licht im Zimmer war dämmrig. Karla tappte auf bloßen Füßen zum Fenster und schob vorsichtig den Vorhang auf. Keine Sonne. Sie hörte Kit im Badezimmer. Er sang leise vor sich hin, einen elisabethanischen Schlager, das machte er immer, wenn er gut gelaunt war.
    »Where the bee sucks, there suck I: In a cowslip’s bell I lie«, schmetterte er unter der Dusche. Er sang einen ungeschulten, aber angenehmen Tenor; ein schöner Kontrast zu seiner Sprechstimme, die eher tief war.
    Karla legte sich ins Bett zurück und fiel im Alt ein: »Merrily, merrily shall I live now; under the blossom that hangs on the bough.«
    Er kam aus dem Badezimmer und lachte sie an, während er »Merrily, merrily, shall I live now«, wiederholte und sich hinunterbeugte, um sie zu küssen. Sie sah, dass er sich beim Rasieren geschnitten hatte, und tupfte mit der Zunge das Blutströpfchen von seiner Wange.
    Er schob sie sanft weg. »Sei vorsichtig, Lovey! Du willst dich doch nicht infizieren.«
    Karla streckte sich und gähnte. »Es gibt Tage, an denen ich das in Erwägung ziehe«, sagte sie träge.
    Seine dunklen Augen begannen zu funkeln. »Ich bin da.«
    Als sie am Frühstückstisch saßen, lehnte Kit sich in seinen Lieblingssessel und schnitt ein Croissant auf. Er fand die französische Methode barbarisch, sie einfach nur in den Kaffee zu tunken. Er schob Karla den Teller mit dem butterbestrichenen Croissant hin. »Es wäre schön, wieder mal einen Spaziergang bei Tageslicht machen zu können.«
    »Ja, das wäre schön«, erwiderte Karla und gab sich Mühe, ihre Stimme neutral klingen zu lassen. Kit hasste Mitleid.
    »Ich habe ein Gedicht geschrieben«, erklärte er, um einen Themenwechsel bemüht. »Vorgestern. Du kennst es noch nicht.«
    Karla kämpfte weiterhin um einen neutralen Ausdruck. »Wie schön«, sagte sie. Ihre Stimme klang ein wenig zu enthusiastisch in ihren Ohren, und sie regulierte den Tonfall sorgfältig, ehe sie fortfuhr: »Gibst du es mir, damit ich es nachher lesen kann? Ich muss gleich gehen.«
    Seine Lider zuckten kurz und schmerzlich. Er hatte feine Ohren, und der falsche Klang ihrer Stimme war ihm nicht entgangen.
    Karla beugte sich vor und nahm seine Hand. »Christopher, mein Liebster, wir beide wissen es und sollten uns nichts vorspielen. Deine Gedichte sind nicht mehr wie früher, sie sind nicht mehr so …«
    Sie suchte nach dem richtigen Wort, und Kit ergänzte grimmig: »Gut. Sie sind nicht mehr gut.«
    Er zog seine Hand aus ihrer und griff nach der Kaffeetasse. »Das ist ein Preis, den ich zahlen muss«, sagte er. »Ein paar Jahre war der Genius noch bei mir, dann hat er mich verlassen. Für immer. Wahrscheinlich bin ich ihm langweilig geworden.«
    Karla schauderte unwillkürlich. »Wünsch dir lieber keinen Genius«, sagte sie heftig. Sie sah auf die Uhr: »Kit, ich muss los.« Sie küsste ihn fest auf den Mund. »Darf ich wiederkommen? Damit du mir dein Gedicht vorträgst? Sie sind nicht schlecht, mein Lieb. Nur vielleicht nicht mehr ganz so atemberaubend und hinreißend gut wie deine frühen Werke.« Sie legte die Hand auf seine Wange und erwiderte seinen Blick.
    Er nahm ihre Hand und küsste ihre Finger. »Ich lese es dir gerne vor. Und weil du so brav warst, auch ein oder zwei Sonette aus meiner Jugend.« Er lachte.
    Karla warf ihm eine Kusshand zu und ging durch die Terrassentür hinaus. Das war der kürzeste Weg zur Straße. Außerdem musste sie so nicht durch den öffentlichen Teil des Hauses. Es würde sie in arge Erklärungsnotstände bringen, wenn ein Kollege oder – die Götter mögen es verhindern – ihr Chef sie aus dem Haus kommen sähe. Sie stellte sich Korngolds Miene vor: »Was treiben Sie in einem solchen – äh – Etablissement, Magistra van Zomeren?« Kichernd ging sie zum
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