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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Autoren: Tamara Domentat
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Alleinverdienerinnen ganzer Familien fürchten sie, die einzige Verdienstquelle zu verlieren, ergeben sich in ihr Schicksal und versuchen, das Beste daraus zu machen.
    Während die einen in Illegalität und feudalistischen Abhängigkeiten gefangen sind, prägen auf der anderen Seite des Spektrums Freiberuflichkeit, ein selbstbewußtes Unternehmertum und normale Arbeitnehmerverhältnisse das Bild der Branche. Die Prostitution ist also vielfältig. Und? Was folgt daraus? Erstens: Die Verpflichtung zum genauen Hinsehen, die Präsentation von Fakten, die sich überblicken lassen, und das Eingeständnis, daß man vom Gesamtpanorama trotzdem weit entfernt ist. Und zweitens: eine Infragestellung der gängigen Opferrhetorik. Denn wer meint, für die Opfer zu sprechen, indem er die Sexarbeit pauschal diffamiert, kann mit demselben Recht die andere große soziale Institution diffamieren, in der Männer und Frauen sich sexuell begegnen: die Ehe. Auch sie kann Frauenleben bereichern oder in Opferbiographien verwandeln.
    Ausschlaggebend sind die Faktoren, die in den beiden Institutionen wirksam sind, und nicht deren Respektabilität. Ergo: Es gibt »happy hookers« und glückliche Ehefrauen, Leidenswege in der Prostitution und in der Ehe.
     
    Prostitution läßt sich nicht repräsentativ erfassen: Prof. Dr. Reinhard Wille und
    Dr. Thomas-Jens Hansen / Sexualwissenschaftler
     
    Weder wissenschaftlich noch erkenntnistheoretisch erscheint es überhaupt möglich, das Gesamtphänomen der »käuflichen Liebe« einigermaßen repräsentativ zu erfassen. Allein schon wegen der heimlichen (klandestinen) Prostitution ist nicht einmal eine bundes-oder gar europaweite Momentaufnahme der Prostitutionsszene denkbar. Sie scheitert schon an den nichtrepräsentativen Stichproben und dem Facettenreichtum bis hin zu definitorischen Abgrenzungsproblemen. Selektive Wahrnehmung nach Alter und Geschlecht, nach konservativer oder progressiver Einstellung, aber auch nach dem erfaßten Teilausschnitt müssen zu völlig gegensätzlichen Aussagen führen. Man glaubt mitunter, daß es sich um verschiedene Städte und Situationen handelt, je nachdem, ob man die Prostituierten selbst befragt, bei den Freiern eine repräsentative Stichprobe nimmt, die Betreuer im Gesundheitsamt über ihre jahrelangen Erfahrungen sprechen läßt oder nur in der Nähe der »sündigen Meilen« stationierte Taxifahrer.9
     
    So weit, so gut. Aber wie beurteilen die einzelnen Akteure die Sexarbeit? Welche Hoffnungen und Ängste tragen Frauen mit sich herum, die in die Sexarbeit einsteigen wollen? Wie sieht der Alltag einer Prostituierten aus? Welche Formen der Arbeitsorganisation bringen ein Höchstmaß an persönlicher Autonomie und ein Maximum an Sicherheit? Wie wirkt sich die Arbeit psychisch aus? Warum werden Männer zu Prostitutionskunden, und mit welchen Erwartungen suchen sie eine Sexarbeiterin auf? Welche Perspektiven verbergen sich hinter den beiden Akteuren, die das Tauschgeschäft Sex gegen Geld mit ihren ureigensten Interessen, Einstellungen und Erwartungen unmittelbar definieren, den Sexarbeiterinnen und ihren Kunden?
     
    II ANGEBOT UND NACHFRAGE
    Die Prostitution ist nicht einfach das »älteste Gewerbe«, sondern ihre Wurzeln reichen weiter zurück. Es gibt viele Tiere, die Sex gegen Ressourcen austauschen. Das extremste Beispiel ist wohl das Weibchen der Tanzfliege, das Sex gegen Nahrung tauscht. Das Männchen der Tanzfliege muß, um Gelegenheit zur Paarung zu erhalten, zunächst eine Mücke aus einem Mückenschwarm fangen. Findet er ein wartendes Weibchen, bietet er ihr seine Beute an. Während sie ihre Mahlzeit verspeist, darf er sie begatten. Es gibt Arten, deren Weibchen als Prostituierte so erfolgreich sind, daß sie selbst nie auf Nahrungssuche gehen müssen.10
    Robin Baker
     
    1 DIE FRAUEN
     
    Jobprofil Sexarbeit: Eine Einstiegsberatung
     
    Wie verdiene ich mit Sex Geld? Wie rede ich am Telefon mit einem Freier? Wie bringe ich ihn dazu, vorher zu duschen?
    Über all diese Fragen haben Stephanie und Daniela noch nie nachgedacht. Für die beiden Frauen war Sex ohne gleichzeitige Liebesbeziehung bislang nur in ihrer Phantasie eine Option. Nach vertagter Entscheidungsfindung sind sie jetzt an einem Punkt, wo sie sich informieren wollen - über Chancen und Risiken der Sexarbeit. Und wo ginge dies besser als auf einer Huren-Fachtagung? Passend zum Thema ist es heiß und schwül an diesem Junitag. Mangels klimatisierter Räume findet das »Seminar für
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