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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Autoren: Tamara Domentat
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findet seine Entsprechung in der »reinen Sexualität« prostitutiver Beziehungen, die - geht man nach den Inhalten von Kontaktanzeigen - auch für private Sexkontakte zunehmend mustergültig wirken. Aber auch vor dem Hintergrund derzeitiger demographischer Entwicklungen könnte die Bedeutung der Sexarbeit zunehmen. Ein Grund, weshalb ältere Menschen sexuell inaktiver leben, ist der Verlust des Ehepartners und die Schwierigkeit, in betagtem Alter eine Privatpartnerin zu finden. Angesichts dieser Sachlage könnte die Sexarbeit gerade für ältere Männer eine zunehmend attraktive Option sein, ihre sexuell aktive Lebensphase zu verlängern.
    Ein Bewußtsein für sexuelle Rechte setzt ein Bewußtsein für sexuelle Freiheiten voraus, und die werden immer wieder neu definiert und erkämpft. Die subversiveren Botschaften sexueller Befreiung erreichen uns in letzter Zeit nicht aus deutschen Lifestyle -Magazinen, sondern aus Frankreich, wo Regisseure wie Patrice Chereau und Catherine Breillat Normalbürger(innen) mittleren Alters beim Ausagieren sexueller Experimente zeigen, wo Catherine Millet und Virginie Despentes neue Roman-und Filmsprachen für weibliche Sexualitäten entwerfen. Viele der Grenzen, die sie überschreiten, sind Sexarbeiterinnen sehr geläufig: der oft unterschätzte Reiz flüchtiger erotischer Begegnungen, eine sexuelle Kameraderie zwischen promisken Frauen und Männern, ein vorfeministisches Bewußtsein sexueller Macht von Frauen über Männer. Das Erfahrungswissen von Prostituierten wäre der Rohstoff, aus dem feministische Thinktanks ein neues, sexuahsiertes weibliches Selbstverständnis schmieden könnten, ein Bewußtsein für Wahlmöglichkeiten zwischen Sexual-und Lebenspartnerschaften, für pragmatischere Beziehungsideale, eine Expansion sexueller Ausdrucksmöglichkeiten und neuer Formen eines neid-und konkurrenzfreieren »female bonding«. Wenn eine Institution bislang mit mehr Nachteilen als Vorteilen behaftet war, muß das nicht heißen, daß es bis in alle Ewigkeit so bleiben muß. In den achtziger Jahren galt der amerikanische Hip-Hop mit seiner Fucking-Bitches-Poetik als Inbegriff der Frauenfeindlichkeit - bis MC
    Lyte und Missy Elliot die Regeln umdefinierten und damit kommerziell erfolgreich waren. Großbritannien und Frankreich, einst die mächtigsten Kolonialmächte, sind heute die Epizentren multiethnischer Lebensformen und emanzipatonscher Diskurse. Wenn jemand ermittelt, wo die Mängel im System liegen, punktgenaue, kreative Lösungen findet und eine kritische Masse von Menschen dies nachvollziehen kann und möchte, dann entstehen Paradigmenwechsel.
    Die Lösung bahnt sich oft in der Mitte des Problems an.
     
    Im Hier und Jetzt leben: Larissa
     
    Im Puff kann man - eigentlich sollte ich sagen frau - den Moment nehmen, wie er ist, ihn genießen, einfach im Hier und Jetzt sein. Jetzt ist der Mann da, jetzt krieg ich ihn in meine Finger, jetzt gehört er mir, aber nur jetzt, und eine Stunde später - c'est la vie - ist er weg. Aber das Jetzt ist das Jetzt, und dadurch kann viel Intensität entstehen. Es ist ähnlich wie bei den kleinen Momenten im Leben, die man nicht vergißt: Man begegnet einem Menschen, der einem zulächelt oder ein Kompliment macht oder unerwartet einen Espresso ausgibt - überhaupt nichts Großes, nichts Pathetisches, nichts Besonderes, und trotzdem, die Szene bleibt als Momentaufnahme im Erinnerungsvermögen gespeichert. Und im Puff ist es ganz ähnlich. Wenn man die Kleinigkeiten zu schätzen weiß, die kleinen Gesten, Worte und Begegnungen, wenn man es versteht, sie zu filtern und das Wertvolle herauszuziehen, dann gibt es viele schöne Momente. Man kann Lebensfreude lernen. Ach was, das Leben selbst kann man im Puff lernen.
     

ANHANG
     
    Deklaration der sexuellen Menschenrechte235
     
    Sexualität ist integraler Bestandteil der Persönlichkeit jedes menschlichen Wesens. Ihre volle Entfaltung verlangt die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse wie Sehnsucht nach Kontakt, nach Intimität, nach Ausdruck von Gefühlen, nach Lust, Zärtlichkeit und Liebe. Sexualität konstruiert sich aus dem Zusammenwirken von individuellen und gesellschaftlichen Strukturen. Eine voll entwickelte, erfüllte Sexualität ist die Grundlage für individuelles, zwischenmenschliches und gesellschaftliches Wohlbefinden. Sexuelle Rechte sind universale Menschenrechte auf der Grundlage von Freiheit, Würde und Gleichheit aller Menschen. So wie der Anspruch auf Erhalt und
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