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Lanzarote

Lanzarote

Titel: Lanzarote
Autoren: Michel Houellebecq
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Beziehung zu seinen Protagonisten. Er nimmt und gibt, lässt auftauchen und verschwinden, wie es ihm und seinen Thesen passt. Wichtig an Valérie ist, dass sie Geschlechtsorgane hat, die man ausgiebig beschreiben kann, und eine Infrastruktur im Rücken, mit der man was auf die Beine stellen kann. Zusammen planen Michel und Valérie die „Plattform“, eine weltumspannende Sex-gegen-Geld-Maschinerie, quasi das Ergebnis von Houellebecqs soziologischen Forschungen.
    In den Ferienklubs werden nicht mehr dumme Hüpfkurse angeboten, sondern landeseigenes Frischfeisch. So bekommt der einsame Westmensch Befriedigung, und der arme Mensch des Südens Geld. Und alle werden in Zukunft zufrieden sein.
    Das Absurde dieses Mittelteils ist aber nicht diese so genannte Utopie, sondern die angebliche Liebe, die nun zwischen Valérie und Michel ausgebrochen sein soll. Da nimmt sich Houellebecq mehr auf die Schulter als er schriftstellerisch tragen kann. Denn für das Hervorrufen von Gefühlen steht ihm nur ein stereotypes Mittel zur Verfügung: die Beschreibung noch und noch einer Ich-drang-mit-einem-Schlag-in-sie-ein-Szene. Das Spiel von Nähe und Distanz, die reiche Welt der unterschwelligen Psychodynamik, die zur Liebe gehört, ist nicht vorhanden, was man von einem Porno auch nicht erwartet hätte. Unangenehm wird es, weil der Autor das Verhältnis zwischen Michel und Valérie aber wie ein störrisches Kind als großes Gefühl behauptet. Um dies zu beweisen, bleibt Houllebecq aus Mangel an Möglichkeiten aber nur die Erhöhung der Schlagzahl. Liebe ist, wenn nun alle fünfzehn Seiten gerammelt wird. Die Raserei ist freilich nichts als dumpfer Stillstand. Kläglicher hat sich lange keine Erzählkonstruktion mehr ad absurdum geführt.
    So kann es also nicht weitergehen. Und so zaubert der Autor einen terroristischen Anschlag radikaler Muslime aus dem Hut, bei dem - wieder in Thailand - Valérie niedergemetzelt wird. Nachdem Valérie verschwunden ist, versucht Michel sich am Hass zu wärmen, aber nicht einmal das funktioniert noch. Die letzten Seiten sind denn auch die besten des Buches. Michel ist wieder bei sich angekommen, in einer dunklen apathischen Trauer, die von Taubheit nicht zu unterscheiden ist. Jetzt gibt es keine Ablenkungen mehr. Michel kann sich nicht mehr durch Sex ablenken, und der Autor nicht mehr durch soziologische Thesen. Michel mietet sich in Pattaya ein Zimmer und wartet, dass die Zeit vergeht. Es bleibt die nackte Trostlosigkeit.

    erschienen in: Berliner Zeitung 23.02.2002

Die Zukunft gehört dem Sextourismus

    von Johannes Wetzel

    Michel Houellebecqs neuer Roman ist eine Provokation

    Zu den Ritualen des französischen Buchmarkts gehört die „rentrée littéraire“: Die Franzosen kehren in diesen Tagen aus den Ferien zurück und lassen sich die Neuerscheinungen des Herbstes vorstellen. Aber schon als sie noch am Strand lagen, kündigte sich den Lesern der Tumult an, in dessen Lärm die übrigen 574 Veröffentlichungen jetzt unterzugehen drohen: Michel Houellebecq habe einen neuen Roman geschrieben, in dem er dem Sextourismus das Wort rede. Das Buch ist am Freitag erschienen, „Le Monde“ brachte einen seitenlangen Vorabdruck und widmet aus Anlass des Buches dem Sexualtourismus den Aufmacher seiner jüngsten Wochenendausgabe (Sonntag / Montag). Berufene und selbst ernannte Verteidiger der Rechte von Frauen sind empört. Die ersten Kritiken dagegen sind enthusiastisch: Der Rezensent des „Nouvel observateur“ verspricht Houellebecq gar den Prix Goncourt. Die neue Literatursendung „Campus“, die im September den berühmten „Bouillon de Culture“ von Bernard Pivot ersetzt, wird mit Houellebecq eingeweiht.
    Der Schriftsteller erholt sich unterdessen von den Strapazen der Schreibarbeit in Thailand und auf den Kanarischen Inseln, wo BBC einen Film über ihn dreht. Er sei „erstaunt“, lässt er wissen, und man kann sich seinen ironisch-phlegmatischen Ausdruck dabei gut vorstellen. In Wirklichkeit überrascht (Fortsetzung auf Seite 10) (Fortsetzung von Seite 9) ihn die Wirkung seiner Provokation natürlich überhaupt nicht. Houellebecq amüsiert sich mit seinen Sabotageakten gegen die „political correctness“ und spielt gerne die Rolle des zynischen Schweinehundes, der sich und den Rest der Menschheit nicht mag.
    Ein elegant geschriebenes Buch ist „Plattform“ nicht - aber seine stilistische Armut halten manche Kritiker für besonders raffniert. Immerhin liest es sich ein bisschen besser als
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