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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)
Autoren: Thilo Corzilius
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dazu, dass ich mich trotz Schlafmangel gut fühlte.
    2.
    Lieber Walther, liebe Elsa,
    die Arbeit in Haddamshausen ist getan. Ein Werwolf streifte hier durch die umliegenden Wälder und hatte schon eine Vielzahl von Hühnerställen geplündert.
    Auch, wenn wir in euren Augen eher als „verwirrte Armleuchter“ erscheinen, darf wohl kaum in Abrede gestellt werden, dass unsere Armleuchterei uns gutes Geld einbringt.
    Zum Glück haben wir die Lage auch diesmal richtig eingeschätzt und die Bestie nach nur wenigen Tagen gestellt (wenngleich wir auch selbst gerade noch glimpflich davongekommen sind).
    Wir werden uns auf die Rückreise begeben, aber wohl noch einen Zwischenhalt in Marburg einlegen. Ihr müsst euch also keineswegs Sorgen um den pünktlichen Eingang eurer Miete machen – wobei ich anmerken darf, dass es vielleicht etwas überstürzt wäre, uns achtlos aus dem Haus zu werfen, meine liebe Elsa. Ich wäre möglicherweise nachsichtig, solange ihr keines unserer Präparate oder Experimente beschädigt. Jedoch unsere Bücher einfach dem Regen auszusetzen, würde eine Unterkühlung meines guten Willens nach sich ziehen. Überlegt es euch! Bisher haben wir euch – besonders von finanzieller Seite her betrachtet – nie Anlass zur Sorge gegeben, warum also in Zukunft?
    Was Philipp angeht: Ich würde es lieber freundlich ausdrücken, aber der arme Junge ist tatsächlich ein verwirrter Armleuchter, dem romantische Vorstellungen aus französischen Abenteuerromanen zwischen den Ohren stecken. Lasst ihn ruhig seinen Nachforschungen bezüglich dieser Tochter aus gutem Hause nachgehen. Bestätigt ihn auch darin, wenn es sein muss.
    Apropos: Ich weiß, euer Gasthaus ist weit davon entfernt, ein zwielichtiges Etablissement zu sein, aber vielleicht könntet ihr Gabrielle in Kenntnis setzen, dass ich sie bei meiner Rückkehr gerne sähe – und verkneift euch die Proteste, ihr geiziges Pack! Wir stecken euch mehr als genug Geld in die raffgierigen Hälse, damit möglichst wenige Beanstandungen dort herauskommen.
    Bis dahin verbindlichste Grüße aus dem Marburger Bergland,
    Euer Salandar

    Wissen war Macht.
    Schon immer.
    Wissen konnte das Zünglein an der Waage sein, die trockene Straße auf weitem Land oder der Sturm, der das Stadttor fortwehte. Wissen bedeutete Überlegenheit, weshalb die Menschen wohl schon vor Jahrtausenden damit begonnen hatten, ihm Tempel zu bauen. Größer, prächtiger und schöner noch als dem ehrfurchtgebietendsten Gott – denn Wissen konnte einen Gott aushebeln, neue Götter erschaffen und ganze Religionen zu Staub zerfallen lassen. Ja, Wissen war pure Macht ...
    Ich blickte durch eines der riesigen, im gotischen Stil gehaltenen Fenster auf die verwinkelte, mittelalterliche Stadt hinab. Die Universität von Marburg war ein Prachtbau. Einzig und allein zu ihrem Zwecke als Hochschule erbaut, war sie doch von einer dafür unüblichen Ästhetik und strahlte eine elitäre Gemütlichkeit aus.
    „Aber Sie haben doch vor einigen Augenblicken erst gemeint, das Gehirn sei zu groß für ein hundeähnliches Geschöpf“, stöhnte Salandar.
    Ich drehte mich um und beobachtete das Geschehen im Seziersaal. Hagen saß in einem barocken Ohrensessel, stützte den Kopf auf einen Arm und übte mit der anderen Hand das lässige Auf- und Zuklappen eines Rasiermessers. Währenddessen weigerte Salandar sich beharrlich zu begreifen, dass der Professor nicht so sehr an unserer Anfrage interessiert war, sondern im Grunde bloß den verkohlten Schädel in seinen Besitz bringen wollte.
    Wir hatten Glück gehabt, dass man uns überhaupt so weit vorgelassen hatte, aber beim Anblick unseres seltsamen Mitbringsels hatte man uns gewähren lassen. Jetzt würde sich herausstellen, ob sich unser Abstecher hierher als lohnend erweise würde.
    Professor Bünger war über die Grenzen Marburgs hinaus als einer der genialsten Köpfe der Chirurgie und herausragender Anatom berühmt, und wir hatten uns angeschickt, eventuell etwas handfestere Dinge über Werwölfe zu erfahren als aus alten Legenden und Grimoires. Dass man Lykanthropen nur mit Silber töten oder überhaupt ernsthaft verletzen konnte, war uns und überdies jedem abergläubischen Trottel bekannt. Aber zu mehr reichte das vorhandene Wissen nicht aus. Was waren Werwölfe? Waren sie überhaupt Säugetiere oder nur äußerlich mit Menschen und Wölfen verwandt? Konnten sie in höherem Maße logisch denken – wie wir fest vermuteten –, oder waren sie nur durch primitive
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