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LaNague 05 - Der Tery

LaNague 05 - Der Tery

Titel: LaNague 05 - Der Tery
Autoren: F. Paul Wilson
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hatte, formte sich in seinem Kopf: Rache. Wären seine Eltern von einem der großen katzenartigen Beutetiere, die auf Nahrungssuche die Wälder durchstreiften, getötet worden – er hätte niemals an Vergeltung gedacht. Das wäre der natürliche Lauf der Dinge gewesen. Das Leben in der Wildnis war eben so. Seine Eltern wären tot – genauso tot wie jetzt auch –, aber das Gleichgewicht wäre nicht gestört gewesen.
    Der Tery hob den Kopf. Weder seine Mutter noch sein Vater hatten je ein menschliches Lebewesen bedroht oder ihm etwas angetan, im Gegenteil: sie hatten jegliche Berührung mit ihnen vermieden. Und dennoch waren die Soldaten gekommen und hatten sie niedergemetzelt und zum Verfaulen liegenlassen. Eine solche Handlungsweise konnte nicht Teil des Gleichgewichts sein. Sie verzerrte alles, und nichts war mehr in Ordnung, solange die Balance nicht wiederhergestellt war.
    Der Tery schwor sich, das Gesicht des Hauptmanns nicht zu vergessen.
    Er stand auf und blickte auf die Ruinen seines alten Heims. Er beschloß, alle Bindungen zur Vergangenheit abzubrechen. Er war ein flüchtiger Tery und würde bei den flüchtenden Menschen bleiben, die ihn aufgelesen hatten. Seine Eltern mußte er zurücklassen, aber er würde sie nie vergessen.
    Genausowenig wie das Gesicht jenes Hauptmanns.

 
V
     
    Es war Mittag, als der Tery sich auf den Rückweg machte. Da die Psi-Leute den ganzen Tag unterwegs sein würden, ging er nicht dieselbe Strecke zurück sondern schlug eine Richtung ein, die ihn schräg auf ihre Marschroute zuführen mußte. Er bewegte sich am Rande eines offenen Feldes, als ihn etwas abrupt anhalten und auf die Knie fallen ließ. Die Haut seines Nackens spannte sich, und er schnupperte, um eine Witterung zu bekommen.
    Etwas hatte seinen Instinkt für Gefahren in Alarm versetzt, seine Muskeln waren angespannt und bereit zum Sprung, seine Kiefer zusammengebissen, und er blickte angestrengt über das Feld bis unter die angrenzenden Bäume.
    Nichts.
    Zögernd machte er ein paar Schritte, aber das seltsame Gefühl in ihm wurde stärker: es war Furcht, Schrecken, eine böse Vorahnung. Alles ohne sichtbaren Grund. Sein Verstand begehrte auf. Es gab doch gar keinen Anlaß, sich zu fürchten! Und trotzdem warnte ihn etwas tief, tief in seinem Inneren vor diesem Ort.
    Scharf musterte er die Schatten unter den nahe stehenden Bäumen. Vielleicht hatte dort einer der großen Fleischfresser sein Lager, und die leichte Brise trug eine kaum merkliche Ausdünstung von Tod und Fäkalien zu ihm herüber.
    Er sah nichts. Möglicherweise …
    Da! – zwischen den dicken Stämmen zweier großer Bäume schimmerte etwas in der Dunkelheit! Doch da war nichts, nichts als ein schattiger Bereich, in dem es flimmerte wie ferne Luft an einem heißen Sommertag.
    Er blieb auf dem offenen Feld und schlug langsam einen Halbkreis, immer den gleichen Abstand zu dem Fleck wahrend. Aus dem neuen Blickwinkel sah er auch nicht anders aus, jedenfalls vermochte der Tery nichts besonders Bedrohliches auszumachen. Einzigartig war es schon – niemals zuvor in seinem kurzen Leben hatte er etwas Ähnliches gesehen –, aber offensichtlich nicht direkt gefährlich.
    Aber warum graute ihm dann so sehr davor?
    Er mußte das herausfinden. Zögernd, einen Fuß vor den anderen setzend, zwang er sich, auf die Stelle zuzugehen. Aber je näher er kam, desto stärker wuchs das Entsetzen in ihm und packte ihn immer fester mit seinen Krallen, bis er glaubte, seine Kehle und Brust seien von Ranken umschlungen, die ihn zu ersticken drohten. Sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren, und es benahm ihm den Atem. Das deutliche Gefühl eines bevorstehenden Unheils umhüllte ihn, bis seine Beine ihm den Gehorsam versagten, bis sein Verstand selbst sich weigerte, den Befehl zum Vorwärtsgehen zu geben und bis er plötzlich merkte, daß er keuchend rannte und sich mit seinen Klauen einen Weg durch das offene Feld bahnte, weg von der Schimmernden Furcht.
    Als er sich schließlich zwingen konnte einzuhalten, hatte er das entfernte Ende des offenen Geländes erreicht. Er lehnte sich nach Atem ringend an einen Baumstamm, während sein schweißnasses Fell in dem leisen Wind trocknete.
    Niemals zuvor hatte er eine solche Angst gehabt. Selbst damals, als die Soldaten ihn gejagt und zerfetzt hatten und als er sicher gewesen war zu sterben, hatte er sich nicht so sehr gefürchtet.
    Er wartete, bis sein Atem wieder leicht ging und der Herzschlag sich beruhigt hatte, dann schlich er
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