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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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Standort wechseln und sich in den Palast eines Nabobs begeben!«
    Rudi nimmt sie nicht weiter ernst und meint, dafür fehle ihm leider der passende Bauchladen.
    Bei dem arabischen Wort Nabob kommt mir eine Idee. Ich sage aber vorerst nichts, sondern entführe Rudi in mein Wohnzimmer im ersten Stock. Anneliese bietet sich freundlich an, in der Zwischenzeit mit dem Kochen zu beginnen.
    Wie erwartet, steckt mein Nachfolger tief in den roten Zahlen. Kurz zuvor hatte ich mir die Schmuckstücke vorgeknöpft, jetzt ist Rudis Buchführung an der Reihe. Leider herrscht diesbezüglich ein einziges Chaos, ich kann mich nur wundern, daß ihm die Bank einen so hohen Kredit eingeräumt hat. Rudis Finanzen liegen mir nicht bloß aus humanitärer Fürsorge am Herzen, sondern auch aus eigennützigen Gründen. Die Ablösesumme für die Übernahme meines Ladens ist erst mit einer kleinen Summe angezahlt.
    »Mein lieber Schwan«, sage ich, »wie kann man sich auf ein solches Risiko einlassen! Da warst du wohl völlig im Goldrausch! Am vernünftigsten wäre es, mit deinem Köfferchen nach Zürich zu fahren, um einem renommierten Juwelier deine Ware anzubieten. Aber mir ist ein anderer Gedanke gekommen …«
     
    Wie immer sind Annelieses Spargel vorzüglich gelungen. Als Beilage gibt es Schwarzwälder Schinken, neue Kartöffelchen und Buttersauce.
    Nach der Erdbeer-Baiser-Torte erzähle ich von einem früheren Kunden. Er arbeitete als Croupier im Wiesbadener Kasino. Seine Familie war in Italien zurückgeblieben. Im Grunde war er ein ehrenwerter Mann, zahlte bar und konnte sich fließend in mehreren europäischen Sprachen unterhalten. Einzig seine Frauengeschichten erschienen mir nicht ganz koscher. Immer wieder kaufte er ein antikes Ringlein, um es seiner jeweiligen Geliebten zu überreichen. Mit der rührenden Geschichte, daß der Schmuck seiner verstorbenen Mama gehört habe, brachte er selbst eiserne Ladies zum Schmelzen.
    Von ihm habe ich erfahren, wie sich der Kundenkreis einer Spielbank in etwa zusammensetzt. Einen gewissen Anteil bilden zwar neugierige Touristen, aber es gibt auch so manchen Kandidaten aus dem halbseidenen Milieu, der Geld waschen möchte. Besonders willkommen sind aber die Ölscheichs, denen es nicht auf 100000 Euro mehr oder weniger ankommt.
    »Das sind die idealen Kunden, Rudi!« sage ich. »Wenn einer Haremsdame das Diadem gefällt, gibt es bestimmt kein langes Feilschen. Du mußt dich bloß an einen öligen Scheich heranmachen, und deine Probleme sind im Handumdrehen gelöst.«
    Nach dem Riesling, den wir zum Essen getrunken haben, öffne ich eine Flasche Champagner. Eigentlich wollte ich sie für Annelieses Geburtstag aufheben, aber man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Rudi trinkt schnell und viel, Anneliese prostet ihm unentwegt zu und öffnet eine zweite Flasche, die von minderer Qualität ist. Längst sind die beiden zum Du übergegangen. Auf einmal verschwindet Anneliese für eine Weile und betritt in einem wallenden blauen Kaftan erneut die Bühne.
    »Laß mich um alles in der Welt deine Klunker einmal anziehen!« verlangt sie nicht ohne Theatralik, und Rudi läßt sich nicht lange bitten.
    Nach Annelieses Metamorphose zur Diva will auch ich nicht zurückstehen, stülpe mir das Diadem auf die weißen Haare und sehe aus wie Queen Elizabeth II .
    Bei Albernheiten ist Rudi sofort mit von der Partie. Er behängt sich wie ein Weihnachtsbaum, setzt sich die glitzernde Brillantbrille auf die Nase und steckt sich je eine Zigarettenspitze ins Ohr. Anneliese steigt etwas mühsam auf den Tisch – als Handicap oder auch zum Glück hat sie das bodenlange Gewand an – und singt schmissige Operettenlieder. Zu der Arie Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh, ist Schweinespeck hopse ich mit Rudi so lange um den ächzenden Eßtisch herum, bis mir das Diadem vom Kopf rutscht.
    Rudi ist zu betrunken zum Autofahren. In der Mansarde stehen für solche Fälle ein frischbezogenes Bett und eine jungfräuliche Zahnbürste bereit, und er nimmt das Angebot dankbar an. »Isch werd misch bei den Schmeichen einscheicheln, weil die Schleichen niemals feischeln«, verspricht er und kriecht auf allen vieren die steile Treppe hinauf.
     
    Am nächsten Morgen fühle ich mich erstaunlicherweise kein bißchen verkatert, sondern angenehm wohlig und beschwingt. Fast wie nach einer schönen Liebesnacht, obwohl davon seit Jahren nicht mehr die Rede sein kann. Nach genüßlichem Räkeln und Gähnen fällt bei mir der Groschen: Gestern
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