Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lady Helenes skandaloeser Plan

Lady Helenes skandaloeser Plan

Titel: Lady Helenes skandaloeser Plan
Autoren: Eloisa James
Vom Netzwerk:
Dienstbote war zu sehen. Helene konnte ein Gefühl der Befriedigung darüber nicht verhehlen. Nachdem sie gegangen war, hatten innerhalb eines Monats auch die meisten Dienstboten das Haus verlassen und ganz London von ihrem Schock über einen Trupp russischer Tänzerinnen berichtet, die ihre Kunst auf dem Tisch des Esszimmers zelebrierten. Und zwar nackt, wie es hieß. Damals war Helene froh gewesen, dass dieses Vorkommnis ihre Entscheidung in den Augen ihrer Freunde gerechtfertigt hatte, und zudem war sie von der Genugtuung erfüllt gewesen, dass Rees ohne Personal nicht zurechtkommen würde.
    Doch danach sah es nicht aus. Sie betrat das Wohnzimmer, in dem überdeutlich zu erkennen war, dass Rees Dienstpersonal keinesfalls vermisste. Zugegeben, es war recht staubig. Und das überreich verschnörkelte und scheußlich unbequeme Sofa, das ein Hochzeitsgeschenk ihrer Tante Margaret gewesen war, hatte man vermutlich auf den Speicher verbannt. An seiner statt standen in diesem Zimmer nicht weniger als drei Klaviere! Wo früher ein Hepplewhite-Sekretär gestanden hatte, befand sich nun ein Cembalo. Ein Flügel versperrte den Blick auf die Straße. Und ein Hammerklavier stand gefährlich nah an der Tür, weil es vermutlich von Umzugsleuten an den nächstbesten Platz gestellt worden war. Zu Füßen der drei Klaviere lagen Unmengen an Papier: halb komponierte Partituren, gekritzelte Noten, zerknüllte Entwürfe.
    Helene kräuselte verächtlich die Lippen. Rees komponierte überall und auf jedem Fetzen Papier, dessen er habhaft werden konnte. Es war nicht erlaubt, auch nur ein Blatt fortzuwerfen, denn er lebte in der ständigen Furcht, eine brillante Phrase oder eine kleine Melodie könnten verloren gehen. Und so, wie es aussah, war seit ihrem Fortgehen kein einziger Bogen weggeworfen worden, sondern etliche neue waren hinzugekommen.
    Helene seufzte und betrachtete sich im Spiegel über dem Kaminaufsatz. Auch dieser war recht staubig und an einer Ecke gesprungen, zeigte ihr jedoch, dass die Sorgfalt, die sie auf ihre Erscheinung verwendet hatte, die Mühe wert gewesen war. Ihr Kleid war von einem blassen Primelgelb, das ihr Haar heller wirken ließ, beinahe weißblond. Rees liebte ihr Haar, daran erinnerte sie sich gut. Sie presste die Lippen zusammen. Daran – und an einiges mehr.
    Helene ging auf das nächstbeste Klavier zu. Da sie ohnehin auf ihre Kutsche warten musste, konnte sie ebenso gut einmal nachsehen, welche Anzüglichkeiten Rees hier zusammenbraute. Im Gegensatz zum anderen Mobiliar im Zimmer schien das Klavier abgestaubt worden zu sein. Dennoch klaubte sie ein paar Blätter vom Boden auf und wischte mit ihnen vorsorglich den Schemel ab. Dann warf sie die Bögen wieder zu Boden, wo sie sich mit dem übrigen Sammelsurium vereinigten. Die vielen Lagen Papier wirkten wie eine Schneewehe, an der die Blätter wie frische Flocken herabglitten.
    Die Papiere auf dem Notenständer enthielten nicht nur Noten. Es sah so aus, als habe Rees’ Kompagnon, Fen, ihm den Text einer Arie gegeben, in der ein junges Mädchen den Frühling zur Zeit der Kirschblüte besingt. Helene schnaubte verächtlich. Richard Fenbridgeton schrieb die Libretti für Rees’ Opern und neigte zu blumigem Überschwang. Wie Rees den Schwachkopf überhaupt ertragen konnte, ging über Helenes Horizont.
    Ohne ihre Handschuhe abzustreifen spielte sie die Melodie mit der rechten Hand. Es war ein ganz reizendes kleines Stück, das munter dahinperlte, bis es plötzlich – einen Misston gab.
    Hier musste wohl ein Fehler vorliegen. Es war überdeutlich, dass nach dem Es eine aufsteigende Tonleiter folgen musste. Sonst würde das junge Mädchen wie eine Herzoginwitwe klingen! Helene spielte die Melodie noch einmal. Hum-di-de-la-la-
däng
. Zum Glück standen auf dem Klavier eine Menge Tintenfässer, also streifte sie entschlossen ihre Handschuhe ab, legte die Partitur auf das Instrument und korrigierte den sperrigen Part. Munter begann sie zu summen und versah die Seitenränder mit boshaften Kommentaren. Dieser Dummkopf drängte die Mädchenstimme immer wieder in die tieferen Lagen, obwohl sie in der hohen Lage bleiben
musste
. Wie sonst sollte sie den Überschwang des Frühlings ausdrücken?
    Wie jeder Mann wusste Rees Holland ein wohlgerundetes Frauengesäß sehr zu schätzen. Vor allem freute es ihn, dass dessen Besitzerin sich nun endlich an seiner Arie versuchte, worum er sie schon mehrfach gebeten hatte. Es fiel stets schwer, Lina zum Singen zu bewegen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher