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L wie Love

L wie Love

Titel: L wie Love
Autoren: Barbara Haworth-Attard
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Schließlich war ich das einzige Mädchen, das mit einem Jungen tanzte. Als die Musik langsamer wurde, rückte mir Freddy immer dichter auf die Pelle, und plötzlich spürte ich seinen Atem in meinem Gesicht. Gleichzeitig strich er mir mit seinen Händen über den Rücken. Weil ich das Gefühl hatte, dass er irgendetwas suchte, öffnete ich den Mund, um ihn zu fragen, ob ich ihm helfen könne. In dem Moment steckte er mir blitzschnell erst sein Mentholbonbon und dann seine Zunge zwischen die Lippen. Ich wusste nicht so recht, was ich daraufhin machen sollte, also lutschte ich ein bisschen auf dem Bonbon herum und schob es dann zurück. Das gingso eine Weile hin und her, und ich bemühte mich wirklich sehr darum, Freddys Zunge
nicht
zu berühren, aber das ließ sich bei unserer Bonbonaustauscherei leider kaum vermeiden. Dabei stampften wir die ganze Zeit von einem Fuß auf den anderen. Irgendwann war das Lied zum Glück zu Ende, und ich nutzte die Chance, mich mit einem schnellen »Du, ich muss mal aufs Klo« zu verdünnisieren.
    Freddy und ich haben über diesen Zwischenfall nie gesprochen. Ich war nur heilfroh, als er auf Kaugummi mit Colageschmack umstieg und ich nicht mehr den Geruch seiner Mentholbonbons ertragen musste.
    Heute ist Freddy jedenfalls nicht da und ich kann völlig ungestört Herrn Kaiser betrachten. Für mich ist er natürlich viel zu alt. Bestimmt ist er schon dreißig. Aber er kann sich wirklich sehen lassen. Jeans, lockeres T-Shirt, dunkle Haare, kurzer Haarschnitt, immer so ein Dreitagebart. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie er sich über mich beugt, um mir die letzte Matheaufgabe zu erklären. Sein Arm berührt meine Schulter. Ich setze mich aufrecht hin und fühle, wie er sich ein bisschen tiefer beugt, sich ein bisschen enger an mich drückt. Sein Atem streift meinen Nacken und ich fühle seinen Mund direkt neben meinem Ohr. Ein Schauer läuft mir über den Rücken und breitet sich in meinem ganzen Körper aus.
    »Karolin! Karolin Schreiber!« Irritiert öffne ich die Augen und werde sofort knallrot. »Könntest du bitte dieses Gepiepse abstellen, damit wir endlich mit dem Film anfangen können?«, sagt Herr Kaiser.
    Gepiepse? Erschrocken taste ich nach meinem Handy. Verdammt. Ich hatte mal wieder vergessen, es auszustellen. Und Handys sind während der Unterrichtszeit natürlich streng verboten. Jetzt piepst und vibriert es und kündigt den Eingang einer SMS an. Na endlich. Wurde aber auch Zeit. Das wird das Horoskop von Kim sein. Ich fummele das Handy aus meiner Hosentasche und schalte es auf lautlos.
    »Ja klar, kein Problem, sorry.«
    Zum Glück ist mein Mathelehrer schon wieder mit dem DVD-Player beschäftigt und beachtet mich nicht mehr. Unter dem Tisch öffne ich den Mitteilungsorder. Treffer. Zwei neue SMS von Kim. Ich lese die erste.
Dein Horoskop: In Liebesdingen solltest du dich ranhalten. Pass auf, dass du nicht den Anschluss verlierst. Finanziell ist alles im grünen Bereich. Nur noch 5 Gummibärchen bis Hamburg
.
    Vier, denke ich und schließe die Kurznachricht. Schließlich habe ich eins eben gegessen. Und am Samstag steige ich schon in den ICE. Ich freue mich wahnsinnig auf die Ferien.
    Ich freue mich darauf, Papa endlich wiederzusehen, und fast noch mehr freue ich mich auf Kim. Manchmal, wirklich nur manchmal, denke ich, dass es doch etwas Gutes hatte, dass meine Eltern sich getrennt haben und Papa nach Hamburg gezogen ist. Sonst hätte ich meine allerbeste Freundin Kim nie kennengelernt. Klar habe ich auch hier Freundinnen. Sophia zum Beispiel. Oder Hannah. Die beiden sind echt ganz in Ordnung. Aber seit Sophia mit Tim aus der 10a zusammen ist, bekomme ich sie kaum noch zu sehen,und Hannah hat sowieso einen volleren Terminkalender als meine Mutter. Und das will was heißen, denn meine Mutter ist Rechtsanwältin und hat eigentlich nie Zeit. Manchmal, wenn ich sie ärgern will, rufe ich in ihrer Kanzlei an, verstelle meine Stimme und lasse mir einen Termin bei ihr geben.
    Kim ist anders als Hannah und Sophia. Nicht so oberflächlich. Kim sieht irre toll aus mit ihren glatten schwarzen Haaren und den leicht schrägen Augen. Sie kommt aus Vietnam und hat eine Figur wie ein Topmodell. Aber sie macht sich nichts daraus, genauso wenig wie aus Klamotten, ganz im Gegensatz zu den Mädchen in meiner Klasse. Mit Kim kann ich über die wirklich wichtigen Dinge reden. Wie zum Beispiel über Umweltschutz. Und über Männer.
    Pass auf, dass du nicht den Anschluss verlierst
.
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