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Kusswechsel

Kusswechsel

Titel: Kusswechsel
Autoren: Janet Evanovich
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ist dafür berüchtigt, dass sie manchmal eine .45er mit langem Lauf bei sich trägt. »Du hast doch keine Pistole da drin, oder?«, fragte ich sie.
    »Wer? Ich?«
    »Wenn die Polizei dich erwischt, wie du versuchst, mit einer verdeckt getragenen Waffe das Gebäude zu betreten, sperrt sie dich gleich ein und wirft den Zellenschlüssel weg.«
    »Woher will die Polizei wissen, dass ich eine verdeckte Waffe trage, wenn ich sie verdeckt trage? Wehe, die durchsuchen mich! Ich bin eine alte Frau. Ich kenne meine Rechte.«
    »Das Tragen einer verdeckten Waffe gehört nicht dazu.«
    Grandma zog die Pistole aus ihrer Handtasche und schob sie unter ihren Sitz. »Wo soll das noch enden, wenn eine alte Frau in diesem Land keine Waffe mehr in ihrer Handtasche haben darf? Was ist mit dem Recht des Menschen auf Gesundheit? Da steht drin, dass man Waffen tragen darf!«
    »Meinst du die Menschenrechte? Ich glaube nicht, dass da irgendwas über Waffen in Handtaschen drinsteht.« Ich schloss den Buick ab und rief Joe auf meinem Handy an.
    »Ich bin gegenüber«, sagte ich. »Und Grandma ist bei mir.«
    »Sie ist doch nicht bewaffnet, oder?«
    »Jetzt nicht mehr.«
    Joes Grinsen am anderen Ende der Leitung konnte ich förmlich spüren. »Wir treffen uns unten am Eingang.«
    Zu dieser Tageszeit war der Besucherandrang gering. Das Gericht hatte schon geschlossen, und die polizeiliche Arbeit beschränkte sich zumeist auf Festnahmen. In dem kugelsicheren Glaskäfig im Foyer schob ein einsamer Polizist Wache und kämpfte gegen den Schlaf an.
    Gerade kamen Grandma und ich durch die Eingangstür gerauscht, da trat auch schon Morelli aus dem Aufzug.
    Grandma sah ihn an und schnaubte. »Der trägt ja eine Waffe«, sagte sie.
    »Er ist schließlich Polizist.«
    »Vielleicht sollte ich auch Polizist werden«, sagte Grandma zu Joe. »Oder glauben Sie, dass ich dazu zu klein bin.«
    Eine halbe Stunde später saßen Grandma und ich wieder in unserem Buick.
    »Das hat ja nicht lange gedauert«, sagte Grandma. »Mir blieb kaum Zeit mich umzusehen.«
    »Ich habe den Mann nicht wiedererkannt. Die Polizei hat jemanden festgenommen, der den gleichen Rucksack trug, aber es war nicht der Mann, der aus dem DeliMart gerannt kam. Er sagte, er hätte den Rucksack in einer kleinen Straße gefunden, jemand hätte ihn weggeworfen.«
    »So eine Pleite. Aber deswegen brauchen wir ja nicht gleich wieder nach Hause zu fahren, oder? Ich habe dieses Pferdegetrappel und dieses Babygebrabbel gründlich satt.«
    »Valerie brabbelt doch nur mit dem Baby.«
    »Nein, auch mit Kloughn brabbelt sie wie mit einem Baby. Ich ziehe nicht gerne über andere her, aber wenn man sich stundenlang dieses Gesülze um ›mein süßes Putzipatzischnuckibärchen‹ anhören muss, sitzt einem die Faust locker.«
    Wie gut, dass ich nie da war, wenn Valerie ihren Kloughn ihr süßes Putzipatzischnuckibärchen nannte, denn mir säße dann nicht nur eine Faust locker. Und meine Selbstbeherrschung ist nicht so ausgeprägt wie Grandmas.
    »Für die Totenwache ist es noch zu früh«, sagte ich zu Grandma. »Ich könnte mal eben bei Sally Sweet vorbeifahren. Er ist heute Morgen als NVGler gemeldet worden, die Anklage lautet auf Überfall.«
    »Nicht möglich! Den kenne ich doch! Ein netter junger Mann. Manchmal auch eine nette junge Frau. Er trägt so einen Schottenrock, auf den ich immer neidisch war.«
    Ich fuhr vom Parkplatz herunter, bog rechts ab in die North Clinton und folgte der Straße einige hundert Meter weit. Irgendwann in der Geschichte der Stadt Trenton war das mal ein blühendes Industriegebiet gewesen. Jetzt standen dort nur noch verfallene Fabrikhallen und Lagerhäuser, und es sah wie im Nachkriegsbosnien aus.
    Ich zog von der Clinton hinunter und schlängelte mich durch ein Viertel mit kleinen trostlosen einstöckigen Reihenhäusern. Ursprünglich waren sie als Unterkünfte für die Fabrikarbeiter errichtet worden, doch jetzt wohnten dort hart arbeitende Menschen am Rand der Sozialhilfe – und einige Außenseiter, so wie Sally Sweet.
    Ich fand die Fenton Street und hielt vor Sweets Haus an.
    »Warte so lange im Auto, bis ich festgestellt habe, was hier abgeht«, sagte ich zu Grandma.
    »Klar«, sagte Grandma, die sich vor Aufregung an ihre Handtasche klammerte und gebannt zu Sweets Haustür hinüberblickte. Der Buick war für einen Mann gebaut, und Grandma wurde geradezu verschluckt von dem Monster. Ihre Füße reichten kaum bis zum Boden und der Kopf kaum bis über das
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