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Kuss im Morgenrot: Roman

Kuss im Morgenrot: Roman

Titel: Kuss im Morgenrot: Roman
Autoren: Lisa Kleypas
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Straßenhändler. Er hatte eine Schürze mit Taschen um die Hüfte gebunden, und die kleine überdachte Handchaise, die am Rande der Gasse stand, gehörte vermutlich ihm.
    Als sie bemerkten, dass sich die Besucher für den Hintereingang des Bordells interessierten, sagte der Bully in freundlichem Ton: »Die Ladys arbeiten noch nicht, meine Herren. Kommen Sie wieder, wenn es dunkel wird.«
    Leo nahm seinen ganzen Willen zusammen, um dem Muskelmann höflich zu antworten. »Ich würde gerne mit der Frau des Hauses sprechen.«
    »Sie wird Sie nicht empfangen, nehme ich an … aber Sie können Willy fragen.« Der Bully deutete mit einer fleischigen Hand auf das baufällige Haus.
    Leo und Harry gingen auf den ramponierten Eingang des kleineren Gebäudes zu. Lediglich ein paar Nagellöcher erinnerten noch an den längst abhanden gekommenen Türklopfer. Leo klopfte beherrscht mit den Knöcheln an die Tür, obwohl er nicht schlecht Lust gehabt hätte, sie mit voller Wucht einzutreten.
    Die Tür öffnete sich knarrend, und zum Vorschein kam Williams blasses hageres Gesicht. Die Augen des jungen Mannes weiteten sich angsterfüllt, als er Leo erkannte. Hätte es in seinem Gesicht auch nur irgendeine Farbe gegeben, sie wäre ihm jetzt auf der Stelle entwichen. Er versuchte die Tür wieder zu schließen, aber Leo zwängte sich hinein.
    Er packte William am Handgelenk und zwang ihn, den Arm zu heben, als er den blutbefleckten Verband an seiner Hand entdeckte. Blut auf dem Bett … die Vorstellung, was dieser Mann Cat angetan haben könnte, entfachte in ihm eine Wut, die so gewaltig war, dass sie jede andere Wahrnehmung auslöschte. Dann setzte sein Denken aus. Eine Minute später fand er sich selbst auf dem Boden wieder. Er saß rittlings auf William und trommelte gnadenlos mit den Fäusten auf ihn ein. Dass Harry seinen Namen rief und versuchte, ihn von dem Burschen herunterzuziehen, nahm er kaum wahr.
    Von dem Tumult alarmiert, kam der Bully durch die Türöffnung und stürzte sich auf ihn. Leo schleuderte den schwereren, größeren Mann über den Kopf nach vorn, und sein Körper schlug mit einer solchen Wucht auf dem Boden auf, dass das ganze Haus bebte. Der Bully sprang sofort wieder auf die Füße, und seine Fäuste, von denen jede so groß war wie ein Sonntagsbraten, sausten mit vernichtender Kraft durch die Luft. Leo machte einen Satz zurück und ging in Deckung, bevor er mit der Rechten einen Stoß nach vorn ausführte. Der Bully wehrte ihn mit Leichtigkeit ab. Aber Leo kämpfte nicht nach den Londoner Price Ring Rules. Er legte sofort einen Seitwärtstritt auf die Kniescheibe nach. Als der Bully sich vor Schmerzen krümmte, ließ er sich zu einer Fouetté hinreißen, einem Fußtritt auf den Kopf. Der Bully stürzte zu Boden und blieb direkt vor Harrys Füßen liegen.
    Harry dachte kurz, dass sein Schwager der hinterhältigste Kämpfer sei, dem er jemals begegnet war, nickte ihm zu und verschwand in den leeren Empfangsraum.
    Im Haus war es gespenstisch still, abgesehen von Leos und Harrys Rufen, während sie nach Catherine suchten. Das ganze Haus stank nach Opiumrauch, und die Fenster waren mit einer so dicken Schmutzschicht überzogen, dass Vorhänge ganz und gar überflüssig waren. Die Zimmer starrten vor Dreck. Alles war verstaubt. In den Ecken sammelten sich die Spinnweben, die Teppiche waren mit Flecken übersät, die Holzböden verkratzt und verzogen.
    Harry entdeckte einen Raum im oberen Stockwerk, unter dessen Tür ein Lichtschein zu sehen war. Mit wild klopfendem Herzen rannte er, zwei bis drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.
    Die Gestalt einer alten Frau kauerte zusammengerollt auf dem Sofa. Die weiten Röcke ihres schwarzen Kleides konnten über die spindeldürren Glieder nicht hinwegtäuschen, die so krumm und knorrig waren wie die Stämme eines alten Holzapfelbaums. Sie schien nicht bei vollem Bewusstsein zu sein, während ihre knochigen Finger den ledernen Schlauch einer Wasserpfeife streichelten, als handelte es sich um eine zahme Schlange.
    Harry näherte sich ihr, legte ihr die Hand auf den Kopf und stieß ihn zurück, so dass er ihr Gesicht sehen konnte.
    »Wer bist du?«, krächzte sie. Das Weiß ihrer Augen war verfärbt, als wären sie mit Tee getränkt. Harry musste sich zusammennehmen, um bei dem Geruch ihres Atems nicht vor Ekel zurückzuweichen.
    »Ich komme, um Catherine abzuholen«, antwortete er. »Sagen Sie mir, wo sie ist.«
    Sie starrte ihn reglos an. »Der Bruder …«
    »Ja,
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