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Kuschelmuschel

Kuschelmuschel

Titel: Kuschelmuschel
Autoren: Roland Dahl
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Pyramiden. Es war inzwischen etwa halb drei Uhr morgens.
     
«Nach Luxor? », fragte sie.
     
«Ja. »
     
«Und Isabella fährt mit dir. »
     
«Nein», sagte ich.
     
«Doch», sagte sie.
     
«Ich reise prinzipiell nicht mit einer Dame», sagte ich.
     
Vor uns sah ich einige Lichter. Sie gehörten zum Mena House Hotel, einer Herberge, wo die Touristen sich unweit der Pyramiden in der Wüste aufhalten können. Ich fuhr ziemlich nahe an das Hotel heran und hielt.
     
«Hier setze ich dich ab», sagte ich. «Es war sehr nett mit dir. »
     
«Du willst also Isabella nicht mit nach Luxor nehmen? »
     
«Nein, leider nicht», sagte ich. «Los, hau ab! »
     
Sie schickte sich an, aus dem Wagen zu steigen, setzte den einen Fuß auf die Straße, hielt inne, und dann schwang sie sich plötzlich zu mir herum und übergoss mich mit einer nicht aufhörenden Flut von so schmutzigen Ausdrücken, wie ich sie noch nie von den Lippen einer Dame gehört hatte seit... nun ja, seit 1931 in Marrakesch, als die gierige alte Herzogin von Glasgow ihre Hand in eine Pralinenschachtel tauchte und von einem Skorpion gezwickt wurde, den ich dort aus Sicherheitsgründen untergebracht hatte (Bd. XIII, 5. Juni 1931).
     
«Du bist widerlich», sagte ich.
     
Isabella sprang aus dem Wagen und schlug so heftig die Tür zu, dass mein ganzes Gefährt erbebte. Ich brauste davon. Dem Himmel sei Dank! Ich hatte sie vom Hals. Ich kann es nun einmal nicht ertragen, wenn ein hübsches Mädchen sich schlecht benimmt.
     
Beim Fahren behielt ich den Rückspiegel im Auge, doch bisher schien kein Wagen mir zu folgen. Nachdem ich den Stadtrand von Kairo erreicht hatte, suchte ich mir meinen Weg durch Seitenstraßen und mied das Zentrum der Stadt. Ich war nicht etwa sonderlich beunruhigt. Die Wachhunde des Königs würden die Sache wahrscheinlich nicht weiter verfolgen. Dennoch wäre es tollkühn gewesen, unter den gegebenen Umständen ins Shepheard's Hotel zurückzukehren. Das war im übrigen auch gar nicht nötig, denn bis auf ein kleines Handköfferchen hatte ich mein gesamtes Gepäck bei mir im Wagen. Ich lasse nie größere Koffer im Hotelzimmer stehen, wenn ich abends in einer fremden Stadt ausgehe. Ich bin gern beweglich.
     
Natürlich hatte ich nicht die Absicht, nach Luxor zu fahren. Vielmehr wollte ich Ägypten jetzt endlich verlassen. Ich mochte dieses Land überhaupt nicht. Wenn ich es mir recht überlege, hatte ich es nie gemocht. Ich fühlte mich dort nicht wohl in meiner Haut. Das lag wohl an dem Schmutz überall und an den Fäulnisgerüchen. Geben wir es nur zu, es ist ja doch wirklich ein ziemlich unsauberes Land, und ich habe den starken Verdacht, auch wenn ich dergleichen ungern sage, dass die Ägypter sich weniger gründlich waschen als irgendein Volk in der Welt - die Mongolen vielleicht ausgenommen. Bestimmt jedenfalls spülen sie das Geschirr nicht so, wie ich es gewohnt bin. Ob Sie mir glauben oder nicht: am Rand der Tasse, die man mir gestern zum Frühstück hinstellte, befand sich ein langer, verschmierter kaffeebrauner Abdruck einer Unterlippe. Igitt! Es war ekelhaft! Ich habe immer wieder darauf gestarrt und überlegt, wessen sabbernde Unterlippe sich da wohl verewigt hatte.
     
Ich fuhr jetzt durch die engen, schmutzigen Straßen der östlichen Außenviertel von Kairo. Ich wusste genau, wohin ich wollte. Darüber war ich mir bereits klar geworden, ehe ich noch mit Isabella die Pyramide halb wieder hinuntergeklettert war. Ich wollte nach Jerusalem. Das war sozusagen gar keine Entfernung, und Jerusalem hatte mir immer schon gefallen. Außerdem kam ich so am schnellsten aus Ägypten heraus. Meine Reiseroute hatte ich wie folgt geplant:
     
1. Von Kairo nach Ismailia. Fahrzeit ungefähr drei Stunden. Unterwegs würde ich wie gewöhnlich eine Oper singen. Ankunft in Ismailia zwischen 6 und 7 Uhr morgens. Dort ein Hotelzimmer nehmen und zwei Stunden schlafen. Dann duschen, rasieren und frühstücken.
     
2. Um 10 Uhr vormittags den Suezkanal überqueren (die Brücke bei Ismailia) und dann auf der Wüstenstraße durch die Halbinsel Sinai zur Grenze von Palästina fahren. Unterwegs in der Wüste Sinai nach Skorpionen suchen. Zeit insgesamt etwa vier Stunden. Ankunft an der Grenze von Palästina also gegen 2 Uhr nachmittags.
     
3. Von dort gleich weiter nach Jerusalem via Beersheba. Ankunft im King David Hotel rechtzeitig zum Aperitif und zum Abendessen.
     
Es war schon einige Jahre her, seit ich diese Strecke zuletzt gefahren war,
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