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Kuschelmuschel

Kuschelmuschel

Titel: Kuschelmuschel
Autoren: Roland Dahl
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recht... Und jetzt... Jetzt fahren Sie einmal mit der Handfläche sanft über den Knauf, den die Hand des großen Mannes blankgerieben hat. Ist es nicht wunderbar, so etwas zu berühren und den Kontakt mit der Haut zu spüren? »
     
«Ja, wirklich. Eigenartig. »
     
«Und nun greifen Sie nach dem Goebbels, und tun Sie das gleiche. Nein, richtig zufassen. Sie müssen Ihre Hand fest um den Griff legen... Gut... Und jetzt... jetzt stützen Sie sich einmal mit Ihrem ganzen Gewicht darauf, ganz fest, genauso, wie der kleine, hinkende Doktor das zu tun pflegte... Da... Ja, so ist's recht... Und nun verharren Sie etwa eine Minute lang in dieser Stellung, und dann sagen Sie mir, ob Sie nicht das Gefühl haben, ein kleiner, eisiger Finger kröche Ihnen den Arm herauf und in Ihren Ausschnitt hinein? »
     
«Es ist abscheulich! »
     
«Gewiss, das ist es. Manche Leute werden ohnmächtig dabei. Sie schlagen der Länge nach hin. »
     
Niemand hat sich in Oswalds Gesellschaft je gelangweilt, und vielleicht liegt darin - mehr als in allem anderen - die Erklärung für seinen Erfolg.
     
Wir kommen nunmehr zur Sinai-Episode. In jenem Monat hatte Oswald sich damit amüsiert, gemütlich und gemächlich von Khartum nach Kairo zu fahren. Er besaß einen vortrefflichen Vorkriegs-Lagonda, der während der Kriegsjahre in der Schweiz sorgsam eingelagert gewesen und, wie Sie sich vorstellen können, mit allen technischen Raffinessen unter der Sonne ausgestattet war. An dem Tag vor seinem Erlebnis in der Wüste Sinai, das am 23. August 1946 stattfand, hielt Oswald sich in Kairo auf. Er war im Shepheard's Hotel abgestiegen und hatte an jenem Abend, nach einer Reihe dreister Manöver, eine mohammedanische Dame vermutlich aristokratischer Herkunft becirct, die mit Vornamen Isabella hieß. Diese Isabella aber war ausgerechnet die eifersüchtig bewachte Mätresse von niemand geringerem als einer gewissen, nur zu bekannten dyspeptischen Persönlichkeit königlichen Geblüts (Ägypten war damals noch eine Monarchie). Ein für Oswald typisches Unternehmen!
     
Doch es sollte noch schlimmer kommen. Gegen Mitternacht fuhr er mit der Dame nach Gizeh hinaus und überredete sie, mit ihm im Mondschein die Spitze der großen Cheopspyramide zu erklimmen.
     
«... Es gibt keinen sichereren Ort», schrieb er in sein Tagebuch, «und auch keinen romantischeren als den Gipfel einer Pyramide in einer warmen Vollmondnacht. Nicht nur die herrliche Aussicht erregt die Leidenschaften, sondern auch das seltsame Gefühl der Macht, das einen überkommt, wenn immer man aus großer Höhe auf die Welt hinabblickt. Und was die Sicherheit angeht - die Cheopspyramide ist 137 Meter hoch, also 27 Meter höher als die Kuppel der St. Pauls-Kathedrale in London, und von ihrer Spitze aus kann man mühelos alles, was sich etwa nähert, sorgsam beobachten. Kein anderes Boudoir auf Erden hat solche Annehmlichkeiten zu bieten. Keines hält einem so viele Fluchtwege offen, denn sollte die finstere Gestalt eines Verfolgers auf der einen Seite der Pyramide heraufgeklettert kommen, braucht man nur ruhig und gelassen auf der anderen Seite hinunterzusteigen... »
     
Der Zufall wollte es, dass Oswald in jener Nacht nur mit knapper Not entkam. Irgendwie musste man im Palast von der kleinen Affäre Wind bekommen haben. Jedenfalls bemerkte Oswald plötzlich aus seiner luftigen Mondscheinhöhe nicht eine, sondern drei finstere Gestalten, die sich von drei verschiedenen Seiten der Pyramide näherten und hinaufzuklettern begannen. Zu seinem Glück aber hat die große Cheopspyramide ja noch eine vierte Seite, und als die gedungenen Araber den Gipfel erreichten, waren die beiden Liebenden bereits wieder am Fuß der Pyramide angelangt und in den Wagen gestiegen.
     
In der Tagebucheintragung vom 24. August wird der Bericht an eben diesem Punkte aufgenommen. Diese Eintragung wird hier Wort für Wort und Komma für Komma so wiedergegeben, wie Oswald sie niedergeschrieben hat. Nichts wurde geändert, nichts hinzugefügt, nichts gekürzt.
     
24. August 1946
     
«Er wird Isabellas Kopf abschlagen, wenn er sie jetzt erwischt», sagte Isabella.
     
«Unsinn! », antwortete ich. Aber ich dachte bei mir, dass sie wahrscheinlich recht hatte.
     
«Er wird Oswalds Kopf auch abschlagen», sagte sie.
     
«Meinen nicht, liebe Dame. Ich werde längst weit fort von hier sein, wenn der Tag anbricht, denn ich fahre jetzt unverzüglich nilaufwärts nach Luxor. »
     
Wir entfernten uns in rascher Fahrt von den
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