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Kuschelmuschel

Kuschelmuschel

Titel: Kuschelmuschel
Autoren: Roland Dahl
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gestehe, dass sich mir allein beim Schreiben darüber schon der Magen umdreht -, lag ein zehn Zentimeter langes, glänzendes, gekräuseltes pechschwarzes menschliches Haar quer über dem Eigelb. Das war zuviel. Ich sprang auf und stürzte aus dem Speisesaal hinaus. «Addio! » rief ich und warf dem Kassierer im Davoneilen ein paar Geldscheine hin. «Addio valle di pianti!» Und damit schüttelte ich den schmutzigen Staub des Hotels von meinen Füßen.
     
Auf in die Wüste Sinai! Sie würde eine willkommene Abwechslung sein! Eine richtige Wüste gehört heute zu den am wenigsten verseuchten Flecken auf unserer Erde, und die Wüste Sinai bildete da keine Ausnahme. Die Straße, die sie durchquerte, war ein etwa 220 Kilometer langer, schmaler schwarzer Teerzementstreifen. Auf halber Strecke etwa befand sich die einzige Tankstelle in einem aus ein paar Hütten bestehenden Ort, der Bir Rawd Salim hieß. Alles übrige weit und breit war nichts als leere, unbewohnte Wüste. Es würde dort sehr heiß sein um diese Jahreszeit, und so war es lebenswichtig, dass ich mir für den Fall einer Panne etwas Trinkwasser mitnahm. Daher fuhr ich bei einer Art Krämerladen in der Hauptstraße von Ismailia vor, um mir meinen Wasserkanister auffüllen zu lassen.
     
Ich ging in den Laden und sprach mit dem Besitzer. Der Mann litt unter einem üblen Trachom. Die glasigen Körner am unteren Rand seiner Augenlider waren so dick, dass die Lider selbst von den Augäpfeln abstanden - ein abscheulicher Anblick. Ich fragte ihn, ob er mir fünf Liter abgekochtes Wasser verkaufen könne. Er hielt mich offensichtlich für verrückt und schließlich für vollends übergeschnappt, als ich darauf bestand, ihm in seine schmuddelige Küche zu folgen, da ich sichergehen wollte, dass er auch alles richtig machte. Er füllte einen großen Kessel mit Leitungswasser und stellte ihn auf einen Petroleumkocher. Der Apparat hatte nur eine winzig kleine, schwelende gelbe Flamme. Der gute Mann schien jedoch sehr stolz auf seinen Kocher zu sein und stolz auch darauf, wie gut er funktionierte. Den Kopf schief zur Seite gelegt, stand er bewundernd davor. Nach einer Weile meinte er, ich würde vielleicht lieber vorn im Laden warten. Er werde mir, so sagte er, das Wasser bringen, sobald es soweit sei. Ich weigerte mich, die Küche zu verlassen. Ich stand da und bewachte den Kessel wie ein Löwe. Ich wartete darauf, dass das Wasser zu kochen begann, und während ich so dastand, sah ich plötzlich die Frühstücksszene mit all ihren Schrecken - dem Ei, dem Eigelb und dem Haar wieder vor mir. Wessen Haar mochte es gewesen sein, das da in dem schleimigen Gelb meines Frühstückseis gelegen hatte? Zweifellos doch das Haar des Kochs. Und wann, bitte sehr, hatte dieser Koch sich wohl das letzte Mal die Haare gewaschen? Wahrscheinlich hatte er sie sich noch nie gewaschen! Also wirklich, großartig! Mit ziemlicher Sicherheit hatte der Koch Läuse. Doch davon allein gingen einem noch nicht die Haare aus. Was konnte dann die Ursache dafür sein, dass jenes Haar des Kochs an diesem Morgen auf mein pochiertes Ei gefallen war, als er das Ei aus der Pfanne auf den Teller beförderte? Für alles gibt es einen Grund, und in diesem Fall war der Grund klar. Der Koch hatte an der Kopfhaut eine eitrige seborrhoische Impetigo. Und das Haar selbst, das lange schwarze Haar, das ich, wäre ich weniger aufmerksam gewesen, um ein Haar verspeist hätte, wimmelte folglich von Millionen und Abermillionen quicklebendiger pathogener Kokken, deren genauen wissenschaftlichen Namen ich glücklicherweise vergessen habe.
     
Kann ich denn, so werden Sie fragen, wirklich mit absoluter Sicherheit sagen, dass der Koch eine eitrige seborrhoische Impetigo hatte? Nun, mit absoluter Sicherheit - nein. Aber wenn es keine Impetigo war, dann hatte er bestimmt Kopfgrind. Und was hieß das? Ich wusste nur zu gut, was das hieß. Es hieß, dass zehn Millionen Mikrosporen an jenem schrecklichen Haar geklebt und nur darauf gewartet hatten, in meinen Mund zu gelangen.
     
Mir wurde speiübel.
     
«Das Wasser kocht», sagte der Ladenbesitzer triumphierend.
     
«Lassen Sie es nur kochen», sagte ich zu ihm. «Lassen Sie es noch acht Minuten kochen. Oder wollen Sie vielleicht, dass ich mir den Typhus hole? »
     
An und für sich trinke ich, wenn ich es irgend umgehen kann, nie Wasser, auch wenn es noch so sauber ist. Pures Wasser schmeckt nach nichts. Natürlich verwende ich es für Tee oder Kaffee, aber selbst da nehme ich
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