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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst
Autoren: Guenter Broedl
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wirkliche Leben aber doch um einiges umständlicher und komplizierter abläuft, als der durchschnittliche Krimileser das wahrhaben will.
    Daher sage ich, während ich in den zehntausend Taschen meines Lederjankers nach dem Haustorschlüssel suche: „Das is alles nicht so einfach, Burschen.“
    Aber damit geben sich die beiden natürlich nicht zufrieden.
    „Warum?“
    „Warum, warum. Weil der Trainer, zum Beispiel, auf Urlaub is und erst am Samstag wiederkommt. Darum.“
    „Und dort kann man ihn nicht erreichen? Telefonisch?“ bohrt Axel weiter.
    „Nein, dort kann man ihn nicht erreichen.“
    Der Trainer, könnte ich jetzt ausführen, wenn mir der Sinn nach langmächtigen Erklärungen stünde, der Trainer ist ein Kapitel für sich und seit seiner Dienstreise auf die kanarischen Inseln im letzten Winter ( vgl.: Kurt Ostbahn: Hitzschla g , Anm. d. V. ) nicht mehr der Mann, den wir alle kennen. Das heißt, seine Kompetenz als künstlerischer Direktor unseres kleinen Musikunternehmens ist nach wie vor ebenso unbestritten wie sein Talent als Autofahrer, das ihm in einer Formel I (wie Inferior) garantiert einen Platz am Stockerl, wenn nicht gar den Weltmeistertitel einbringen würde. Aber seit er jede freie Minute in seinem staubigen Refugium im Süden von Teneriffa verbringt, macht sich bei seiner komplexen Persönlichkeit ein Hang zum Kapriziösen bemerkbar.
    Ich meine, ich hab ihn seit unserem firmeninternen Krampusrummel im Rallye weder gesehen noch gesprochen und stütze meiner These einzig und allein auf die beiden Briefe, die er mir zu Weihnachten bzw. vorletzte Woche geschickt hat, aber diese Botschaften sprechen eine deutliche Sprache.
    Das erste Konvolut, das er abseits der Zivilisation in seinen vermutlich mit Sonnenenergie betriebenen Laptop gehackt hat, umfaßt 48 eng bedruckte Seiten. Neben einem völlig absurden weil mindestens vier Stunden langen Konzertablauf für die anstehende Tournee verrät er mir in diesem Schreiben auch ein mexikanisches Geheimrezept für Margaritas, das von nun an unseren Cateringlisten beizulegen sei. Das hochprozentige Gesöff, serviert in tönernen Literkrügen, soll mir und der gesamten Mannschaft mentales wie spirituelles Rüstzeug sein für des Trainers irrwitziges Marathonvorhaben. Irgendwie taucht in dem Brief auch immer wieder Jerry Garcia auf, das verstorbene Mastermind der Grateful Dead, sowie Dialogfetzen aus Sam Peckinpah’s „The Wild Bunch“.
    In seinem zweiten Schreiben (16 Seiten) ist von all dem keine Rede mehr, was Wunder, ist es doch offensichtlich unter der aktiven Mitwirkung eines gewissen Herrn Jamison entstanden, was wiederum mit einer Bekanntschaft zu tun haben mag, die der Trainer während einer Busfahrt in die Hauptstadt Santa Cruz gemacht hat. Wenn ich seine schreiberischen Handstandüberschläge nicht völlig mißverstanden habe, dann verbringt er seit vier Wochen tagsüber jede freie Minute sowie alle verfügbaren Abende und Nächte an der Seite einer Inselschönheit, die aus dem grünen Irland auf seinen Wüstenplaneten geflohen ist, dort für ein englischsprachiges Lokalblatt schreibt und dem Trainer nach Feierabend Nachhilfe in Gälisch gibt. Ich weiß jetzt mehr über den Tai’n, daß der Gladdagh kein Whisky sondern ein Ring von mythischer Bedeutung ist und daß der Trainer in seiner kanarischen Klause in erster Linie deshalb nicht telefonisch erreichbar sein will, weil Anrufer wie unsereins die Geister von Flann O’Brien, James Joyce und Phil Lynott mit ihren profanen Anliegen aus dem Haus jagen könnten, oder aber der Trainer bei seinem Studium von Van Morrison, Roddy Doyle und Joseph O’Connor gestört werden könnte.
    All das könnte ich den Burschen berichten. Aber ich fürchte, es würde sie nur noch rat- und mutloser machen, was sich wiederum katastrophal auf den Linoleumboden in der alten Kaltenbeck-Küche und in weiterer Folge auf mein neues Badezimmer auswirken könnte.
    „Der Trainer“, führe ich stattdessen aus, als wir klitschnaß die drei Stockwerke zur Baustelle hinaufsteigen, „hockt seit Krampus auf Teneriffa, wo es im Schnitt so viele Tage im Jahr regnet, wie bei uns die Sonne scheint.“
    „Okay. Dann ruf jetzt, bitte, den Doc an, Kurtl“, meint Axel, „weil sonst haben wir spätestens morgen zu Mittag den Arsch ziemlich weit offen!“
    Ich pausiere im zweiten Stock. Und will nicht streiten. Aber der Ton gefällt mir nicht.
    „Wir?“ sage ich. „Wieso wir?“
    „Wir!“ sagt Ronnie und läßt mich am
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