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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz
Autoren: H Nygaard
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Fenster in der ersten Etage. Kummerow
hatte sich am Sims festgehalten und dann auf die Rasenfläche des Vorgartens
fallen lassen. Kummerow entfernte sich nach rechts. Dann bog er auf der
gegenüberliegenden Straßenseite in eine Hofeinfahrt.
    Lüder sprintete hinterher. Der Regen hatte ihn in
kürzester Zeit völlig durchnässt. Das Wasser lief ihm von der Stirn über die
Brauen in die Augen. Als er die Einfahrt erreichte, die zwischen zwei
Grundstücken auf ein rückwärtiges Areal führte, sah er, wie Kummerow sich am
Ende über eine Ziegelsteinmauer schwang, die links von einer Remise den Hof
begrenzte. Hinter der Mauer waren Bäume und Buschgruppen zu erkennen, die den
abgesperrten Bereich unter dem Viadukt begrünten.
    Als Lüder die brusthohe Mauer erreichte, war von
Kummerow nichts mehr zu sehen. Lüder erklomm die Mauer und landete auf der
anderen Seite im feuchten Gras. Er schlängelte sich durch das Gestrüpp und
verhielt kurz, um sich zu orientieren. Gedämpft drangen die Geräusche der Stadt
durch das Buschwerk. Nur ganz leise war ein helles, rhythmisches »Ploing«
wahrzunehmen. Es klang nach Metall. Lüder hatte den Fuß einer der großen
genieteten Metallstützen erreicht. Trotz der schrägen Querstreben war es nicht
möglich, daran nach oben zu klettern. Er wischte sich mit dem Ärmel durch das
nasse Gesicht. Dem Geräusch nach musste Kummerow eine Möglichkeit gefunden
haben, in die Höhe zu klimmen. Lüder lief weiter und entdeckte eine
Metallleiter, die zur Baustelle emporführte, die wie ein Korb unter der
Gleisanlage hing.
    Hastig schwang er sich auf die Sprossen und stieg
hoch. Das Metall war kalt und durch den Regen nass und rutschig. Jetzt sah er
weit über sich einen Schatten, der sich nach oben bewegte. Die Leiter führte
auf eine kleine Plattform. Einen Meter versetzt ging eine weitere Leiter nach
oben. Das Geräusch über ihm verstummte für einen Moment. Dann hörte Lüder einen
Knall. Zeitgleich surrte das Geschoss an ihm vorbei und schlug gegen Metall,
ohne ihn getroffen zu haben. Noch zwei Mal drückte Kummerow ab. Lüder
überlegte, ob er sich weiter der Gefahr aussetzen sollte. Deckung fand er auf
dem Baugerüst nicht. Hoffentlich hatte der ältere Mann die Rendsburger Polizei
verständigt. Man würde die Rampe zur Hochbrücke von der Stadtseite ebenso
abriegeln wie den Damm am Ende der Brücke auf der anderen Kanalseite. Doch das
würde dauern. Wenn es einen weiteren Zugang zur Brücke geben würde wie den,
über den Lüder im Moment in die Höhe stieg, könnte Kummerow entkommen. Lüder
entschloss sich, die Verfolgung fortzusetzen. Er sah in die Höhe und kniff
dabei die Augen zusammen, da ihm der Regen ins Gesicht klatschte. Von dem
Verfolgten war nur noch ein Schatten zu sehen, der sich am Ende der obersten
Leiter auf den Gleiskörper schwang.
    Lüder umklammerte die glitschigen Metallstreben und
stieg nach oben. Er wechselte von Sprosse zu Sprosse und rutschte mit dem
linken Fuß ab, als er im Bemühen, die Distanz zu Kummerow zu verkürzen, zu
hektisch kletterte. Schmerzhaft stieß sein Schienbein gegen das Metall.
    Es schien ihm unendlich lang zu dauern, bis auch er
das Viadukt erreicht hatte. Während er über die Stellage kroch, die seitlich
neben dem Gleiskörper montiert war, fiel sein Blick nach unten. Lüder erschrak,
als er registrierte, wie hoch die Eisenbahn über Rendsburg hinwegführte. Hier
oben zerrte der Wind mächtig an der Kleidung.
    Durch die tief fliegenden Wolken und den dichten
Regenschleier herrschte ein diffuses Zwielicht. Für die Jahreszeit war es viel
zu düster. Kummerow hatte einen Vorsprung von gut einhundert Metern und lief
auf den Schienen Richtung Kanalüberquerung. Lüder folgte ihm und glitt nach dem
zweiten Schritt aus. Die regenfeuchten Schwellen ruhten auf Trägern, die die
einzelnen Stützpfeiler miteinander verbanden. Zwischen den Schwellen waren
Lücken, durch die man zwar nicht hinabstürzen konnte, die aber beim
Hinabblicken automatisch zur Verunsicherung führten. Er kam wieder in die Höhe
und versuchte, einen gleichmäßigen Laufrhythmus zu finden, der genau dem
Abstand zwischen den Schwellen entsprach. Der Abstand zu Kummerow verkürzte sich.
Der Mann war langsamer geworden. Plötzlich erkannte Lüder auch den Grund. Das
Parallelgleis wurde komplett erneuert. Arbeiter hatten in schwindelerregender
Höhe die komplette Anlage demontiert. Anstelle des Fahrweges fand sich ein
Nichts.
    Einen Moment schoss es Lüder durch den Kopf, dass
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