Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kuessen kann schon mal passieren

Kuessen kann schon mal passieren

Titel: Kuessen kann schon mal passieren
Autoren: Susanne Fuelscher
Vom Netzwerk:
Lackaffe, der mir immerhin den Arsch in Französisch gerettet hatte.

4.
    Einige Wochen vergingen, in denen mein Leben wie eine Bimmelbahn durch die flache norddeutsche Landschaft zuckelte: ruhig, gemächlich, ohne Höhen und Tiefen. Die Bremsen quietschten nicht gefährlich, niemand warf sich vor den Zug, nicht mal Rauchwölkchen stiegen in den Himmel auf.
    Dabei war Frühling. Wonnemonat. Draußen grünte und blühte es und die Vögel zwitscherten, als wären sie betrunken. Gerne hätte ich mich von ihnen anstecken lassen, aber die Schule verhagelte mir immer wieder die Laune. Klausuren und Tests, Hausaufgaben und Referate – manchmal wuchs mir alles über den Kopf.
    Doch es gab auch die freien Stunden danach, die ich umso mehr genoss. Ich flitzte mit meinem Rennrad durch die Gegend, ging mit Jade Eis essen und half ihr beim Basteln der Antipelz-Transparente, die sie anschließend mit ihren Bloody-Girls durch unsere vollkommen pelzlose Kleinstadt trug. Ich gönnte es ihr, dass sie sich wie die Retterin der Welt fühlte, trotzdem versuchte ich sie ein wenig in ihrem Höhenflug zu bremsen und sie vor allem von ihren Anton-Schwärmereien abzubringen. Gerüchten zufolge wälzte sich ihr Angebeteter jede Nacht in einem anderen Lotterbett. Jade hingegen hatte einen Supertypen verdient, einen, der es wirklich ernst mit ihr meinte.
    Und dann war da noch Luca … Klammheimlich und ohne gültige Eintrittskarte hatte er sich mehr und mehr in mein Leben geschlichen. Morgens gingen wir meist zusammen zur Schule, im Unterricht schnarrte seine Stimme in meinem Rücken, in der Pause stellte er sich hin und wieder zu uns Mädchen, und kaum schob ich mein Rennrad nachmittags auf die Straße, kam er mit Sicherheit von irgendwoher angeflitzt. Egal wo ich aufkreuzte, Luca war garantiert schon vor mir da. Und als ob das nicht genug wäre, saß seine Mutter seit dem Wasserrohrbruch häufiger in unserer Küche, als mir lieb war. Ich freute mich ja für Mama, dass sie endlich jemanden gefunden hatte, der sich ebenfalls für Malerei begeisterte und mit dem sie die Nächte durchquatschen konnte – trotzdem störte mich die Anwesenheit der gestylten Frau mit den rotblonden Haaren. Dabei wusste ich nicht mal genau, warum.
    Jade unterstellte mir Eifersucht. Plötzlich wäre da eben jemand, der Mamas und meine Zweisamkeit durchkreuzte, aber das stimmte nicht. Ich hatte meine Mutter seit vierzehn Jahren ständig um mich und meistens nervte es mich nur, dauernd mit ihr über das Thema Nummer eins, unsere Geldsorgen, reden zu müssen. Das machte mir bloß ein schlechtes Gewissen. Einfach, weil es mich gab, weil ich essen musste, Schulsachen und Klamotten kaufen und noch viel mehr …
    Doch jetzt war da diese exotische Frau, Übersetzerin von Beruf, deren zielstrebiger Sohn Anwalt werden wollte. Auf Mama wirkte das wie eine Zauberformel. Jede freie Minute redete sie mir seitdem ins Gewissen, dass Anwältin doch vielleicht auch für mich ein prima Beruf wäre. Ich wollte aber kein Leben führen, das meiner Mutter als fixe Idee eingefallen war. Ich wollte etwas anderes, etwas Großes, etwas bombastisch Prickelndes, auch wenn ich noch nicht genau wusste, was das sein sollte. Weltenbummlerin vielleicht, aber das erzählte ich, weil es einfach zu albern war, nicht mal Jade. Nur vorm Einschlafen träumte ich mich in ferne, aufregende Welten. Mal war ich ein blinder Passagier auf einem Luxusliner, mal eine Agentin, die in 007-Manier Bösewichte zur Strecke brachte. Aber wenn ich am nächsten Morgen aufwachte, wusste ich, dass ich immer noch in einem norddeutschen Kaff saß, wo die einzigen Abenteuer darin bestanden, den Tag in verschiedenen Klassenzimmern zu verbringen, wo es mal nach feuchtem Tafelschwamm, mal nach Frau Gabowskis Hammerparfüm oder einfach bloß nach Schülermief stank.
    ***
    Ein paar Tage später trafen Jade und ich Luca zufällig vorm Kino. War ja klar. Kein Tag ohne den Lackaffen. Wir lungerten an der Kasse herum und überlegten, in welchen Film wir gehen sollten, als er anmarschiert kam und sich sofort besserwisserisch in unsere Diskussion einmischte. Der Liebesfilm, das sei ja wohl klar. Und während er einen Schokoriegel auswickelte, fügte er hinzu, der Actionfilm habe schlechte Kritiken bekommen. Nur Geballere, peng-peng, explodierende Autos – und das alles aus der amerikanischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher