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Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten

Titel: Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
Autoren: Jutta Profijt
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folgenden Stille hätte man einen Floh furzen hören
     können. Es war keine andächtige Stille, sondern eine gelähmte, ungläubige, entsetzte Stille. All diese Wie-Wörter hat übrigens
     meine Lektorin verlangt. Ich hätte normalerweise einfach gesagt, dass die Anwesenden aussahen, als hockten sie in der Kloschüssel,
     während das Schicksal Durchfall hat.
    Martin fand, nachdem in seiner Denkschüssel ein ziemlichdicker Horrornebel kurzzeitig alle Gedanken gedämpft hatte, als Erster seine Sprache wieder. »Nun, das ist ungewöhnlich«,
     sagte er nachdenklich. »Übernehmen Sie denn auch die fachliche Leitung? Irgendjemand muss ja die Verantwortung für die inhaltliche   …«
    »Sind Sie sich Ihrer Arbeit in inhaltlicher Hinsicht nicht sicher?«, fragte Forch.
    »Doch, natürlich«, erwiderte Martin, und erstaunlicherweise ist er ja beruflich ein ganz anderer Mensch als privat. Selbstsicherer,
     entschlossener. »Aber   …«
    »Dann wäre ja alles geklärt. Ich danke Ihnen allen für Ihr Vertrauen und bin sicher, dass wir gut zusammenarbeiten werden.
     Also,
back to work

    Bei seinen letzten Worten klatschte Forch zweimal in die Hände, sprang auf und slipperte troddelwedelnd hinaus.
     
    Nach diesem Einstand verschanzte sich der schnöselige Kleiderständer einige Tage in seinem Büro, wo er, wie ich Martin gelegentlich
     berichtete, Akten studierte und seinen Taschenrechner heiß laufen ließ. Das Ende vom Lied war, dass er zehn Tage vor dem Umzug
     den Vertrag mit dem beauftragten Umzugsunternehmen kündigte und ein anderes anheuerte, das dreißig Prozent billiger war. Allerdings
     mussten die Mitarbeiter dafür ihre Kartons selbst aus den Büros herunterschaffen und nach einem genau ausgeklügelten System
     auf die bereitgestellten Paletten stapeln. In den neuen Büros sollte das ganze retour gehen.
     
    Dabei war die Sache mit dem Umzug an sich schon so eine Vorabkatastrophe, die seit Monaten wie ein TÜ V-Termin mit hoffnungslosem Ausgang am Horizont lauerte. Ende Juni wurde es ernst.
    »Ich finde das unterirdisch riesendämlich«, beschwerteich mich zum tausendsten Mal, und Martin nickte geistesabwesend, während er die letzte seiner Schreibtischschubladen leerte
     und deren Inhalt in den ordentlich mit seinem Namen beschrifteten Karton packte. »Ihr könnt uns doch nicht ganz allein hier
     in dem ollen Bunker lassen.«
    Mit »uns« meinte ich die anderen Leichen und mich, denn ich bin ja auch tot. Nun ist mein Körper schon lange bestattet, meine
     Seele allerdings noch putzmunter, und so tobe ich im Niemandsland zwischen der Welt der Lebenden und dem Totenreich herum,
     während andere Leute einfach sterben, ihre Seelen einen kürzeren Zwischenstopp auf meiner Etage einlegen und dann »ins Licht«
     entschwinden. Mehr habe ich über dieses Fahrziel nie herausbekommen, auch nicht von Marlene, der Ordensschwester, die mir
     im Frühling ein paar Wochen Gesellschaft leistete. Sie hat sich seitdem nie wieder bei mir gemeldet. Das war zu erwarten,
     und daher wunderte es mich nicht, aber es schmerzte.
    Ich fühlte mich einsamer als je zuvor, und so hing ich wie eine Klette an Martin, dem einzigen Menschen auf der ganzen Welt,
     zu dem ich Kontakt aufnehmen kann. Dr.   Martin Gänsewein war von dieser Entwicklung alles andere als begeistert, denn er und ich sind nicht immer einer Meinung. Das
     ist jetzt zurückhaltend formuliert. Man könnte auch sagen: Wir sind gegensätzlicher als Schwarz und Weiß, Bruce Willis und
     Mireille Mathieu, ein Dinosaurier und ein Osterhase – aber ich soll mich ja einer einigermaßen zivilisierten Sprache bedienen
     und nicht dauernd polarisieren oder übertreiben, also halte ich mich zurück. Diese Vorschriften stammen natürlich wieder von
     der Lektorin, aber zu der Sache mit der Schriftstellerei kommen wir noch, also bleiben Sie geschmeidig und warten Sie geduldig
     auf Grün.
     
    Martin und die Kolleginnen und Kollegen jedenfalls waren auf dem Sprung in die Kölnischen Karpaten. So nannten sie selbst
     ihr Übergangswohnheim, wo die Asbestbelastung nicht vorhanden oder zumindest auf lebenstauglichem Niveau war, im Gegensatz
     zu dem Bunker am Melatenfriedhof. Deshalb sollten dort erst die Mediziner weg, dann das Asbest raus, dann neue Dämmung, Tapeten
     und Teppiche rein und dann die Mediziner wieder her. Nur die Leichen blieben hier. Denen macht Asbest nichts mehr aus.
    Natürlich bedeutete die Trennung der Büros von den Leichen ein logistisches Chaos. Ein
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