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Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten

Titel: Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
Autoren: Jutta Profijt
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Natürlich konnte ich keine Cola trinken, kein Popcorn durch die Gegend werfen und nicht an einer Tussi herumgriffeln,
     aber trotzdem war dies eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen ich denVerlust meiner Körperlichkeit für zwei Stunden fast vergessen konnte. Vorausgesetzt, der Film war gut. Aber da ich nicht zahlen
     musste, konnte ich es drauf ankommen lassen und gab fast jedem Film eine Chance. Natürlich nur echten Filmen. Also Actionkrachern.
     Keine Chance hatten Liebesschmonzetten, Märchenfilme und erst recht nicht die Tragikomödien. Ich finde, wenn ein Drehleiter
     (DER Drehleiter, nicht DIE Drehleiter, liebe Lektorin) sich nicht entscheiden kann, ob er eine Tragödie oder eine Komödie
     drehen will, sollte er aus Konfettischnipseln Papierflieger bauen, bis er weiß, was er will.
    Ich hing also in meinem Lieblingskino ungefähr in Höhe der Loge über den Köpfen der anderen Zuschauer und hatte bereits das
     erste Drittel eines ordentlichen Spionagethrillers mit lauter toll aussehenden Weibern in den Nebenrollen, die so klein waren
     wie ihre Stringtangas, hinter mir, als vorn in der dritten Reihe Unruhe aufkam. Jemand stöhnte, eine weibliche Stimme flüsterte
     mit einem Geräuschpegel wie ein startender Golf zwei mit Originalauspuff, es wurde geraschelt und mit Schlüsseln geklimpert.
    »Hey, Ruhe da vorn«, brüllte der Kerl unter mir.
    Das Geraschel und Getuschel ging weiter.
    »Verdammt, hier ist doch kein Müttercafé«, brüllte der Typ wieder. »Halt die Sabbel oder geh raus!«
    Ich flog kurz rüber, um nach dem Grund für die Störung zu suchen, als eine Seele um Sackhaaresbreite an mir vorbeizischte.
     Und wieder hatte das Seelchen es furchtbar eilig, hielt sich nicht damit auf, ein paar Worte mit mir zu wechseln, sondern
     düste im Engelsgalopp an mir vorbei. Endlich hatte auch die Tussi auf dem Platz neben der jetzt seelenlosen körperlichen Hülle
     gemerkt, dass mit dem Typ etwas wirklich ganz und gar faul war, und schrie panisch um Hilfe. Auf dieses Theater hatte ich
     keinen Bock. DenRest des Films würde ich mir morgen ansehen, jetzt verpisste ich mich erst mal, um nicht die ganze Rödelei mit den Sanis mitzumachen,
     die ich schon hundertmal gesehen hatte: Wiederbelebungsversuche, Beruhigungsspritze für die hysterische Begleitung, noch mehr
     Wiederbelebung, Notarzt, Rettungswagen, Elektroschocks, und irgendwann würden sie es einsehen, was ich schon wusste, seit
     das Innenleben des Typs mich fast gerammt hatte: Der Sack war tot. Ich würde ihm sicher im Institut wieder begegnen, aber
     ich vermutete schon jetzt, dass auch er in der sorgsam gepflegten Statistik des Gesundheitsamtes in der Rubrik Hitzetote landen
     würde. Langsam uferte das zu einer Epidemie aus.
     
    Der Freitag und das gesamte Wochenende waren für den Umzug und das Einräumen der neuen Büros angesetzt, und so wuselten drei
     Tage lang verschwitzte, jammernde Doktoren der diversen Fachrichtungen durch die neuen Räume, schleppten Kartons, steckten
     Stecker ein, justierten Messgeräte, ordneten Akten und klagten mehr oder weniger laut über ihr schreckliches Los. Das konnten
     sie ungehindert tun, denn der neue Chef war nicht im Haus. Der Mann war gerade mal vier Wochen im Amt und rangierte bereits
     auf der Beliebtheitsskala der gesamten Belegschaft hinter Silberfischchen, Führerscheinentzug und Genitalherpes. An diesem
     Wochenende wurde sein Spitzname erfunden, dessen Siegeszug durch die Büros schneller war als Schumachers Rundenrekord auf
     regennasser Fahrbahn in Monaco: Das Sparschwein war geboren.
     
    Im Sektionstrakt war die Stimmung nach dem Auszug der Büros geradezu unterirdisch schlecht. Dazu muss man wissen, dass der
     Sektionstrakt im Keller des jetzt leer stehenden Gebäudes, also unter der Baustelle, lag. Tagsüberdröhnten und vibrierten die Presslufthämmer in den Büroetagen und machten jede normale Arbeit unmöglich. Normale Arbeit hätte
     bedeutet, dass einer der Schlitzer die Leiche zerlegt, während ein Kollege jeden Befund in ein Diktiergerät sabbelt. Diktieren
     ging bei dem Lärm aber nicht, also stand der Chronist mit Zettelchen und Stift neben der Leiche und murmelte ständig: »Moment,
     nicht so schnell, was sagtest du gerade?«
    Nachts hingegen war es still. Zu still, wie vor allem das schwach machende Geschlecht meinte. Seit die Büros verlassen und
     die Pförtnerloge nicht mal mehr während der erweiterten Bürozeiten besetzt war, lag das Institutsgebäude nach Abzug der
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