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Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten

Titel: Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
Autoren: Jutta Profijt
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Tagesplan stehen, und
     so fuhr er den altbekannten Weg zum Melatengürtel, parkte die Ente auf dem fast leeren Parkplatz und schloss das Ding sorgfältig
     ab. Als ob irgendjemand dieses Gefährt hätte klauen wollen! Das hatte ich ihm schon tausendmal gesagt, und ich muss es schließlich
     wissen, denn ich habe meinen Lebensunterhalt mit dem Diebstahl motorisierter Fahrzeuge bestritten. Aber auf mich hörte er
     ja nicht.
    Seit dem Aufstehen hatte ich Martin schon wegen meines Jubeltages vollgetextet. Für mich ist dieser Tag sehr wichtig. Besonders
     in der speziellen Situation, in der ich mich befinde. Vielleicht können Sie sich das nicht so recht vorstellen, denn bei Ihnen
     ist das sicherlich anders. Sie wachen mit einer Morgenlatte auf, dann stellen Sie fest, dass Sie einen dicken Kopf oder Sodbrennen
     oder so was haben – alles eindeutige Zeichen dafür, dass Sie putzmunter und lebendig sind. Bei mir ist das nicht mehr so.
     Erstens wache ich nicht auf, denn Tote schlafen nicht. Zweitenshabe ich keine Schwellkörper mehr, also auch keine Morgenlatte. Ebensowenig kann ich einen dicken Kopf, Sodbrennen oder Felljucken
     bieten. Kein Mensch kann mich sehen, hören kann mich nur Martin. Mein Geburtstag ist eine verdammt wichtige Gelegenheit, mir
     selbst zu versichern, dass es mich gibt.
    »Was machen wir denn nun zur Feier meines Geburtstags?«, fragte ich Martin. Meine früheren Partys hatte ich ihm in der letzten
     halben Stunde schon ausgiebig beschrieben, aber er hatte immer nur gezuckt, wenn von alkoholischen Getränken oder willigen
     Weibern die Rede war. Martin bekommt zu seinem Geburtstag wahrscheinlich immer noch selbst gebackene Kuchen mit Smarties-Deko
     und diesen albernen Kerzen geschenkt, die sich nach dem Ausblasen wieder selbst anzünden.
    »Wir könnten ins Kino gehen«, schlug er vor, während er die Rampe zum Institut hinunterging.
    »Ich schimmel fast jede Nacht im Kino rum«, maulte ich. »Das ist nichts Besonderes.«
    »Essen gehen fällt ja wohl auch aus   …«
    Haha.
    Martin hielt seinen Ausweis vor das elektronische Schloss und drückte die Tür auf. Einen Schritt schaffte er noch, bevor er
     in Spontanparalyse verfiel. Einfacher gesagt: Er blieb mitten in der Bewegung stehen, was ihm ein total dämliches Aussehen
     und einen ziemlich unsicheren Stand auf nur einem Fuß bescherte.
    Der Saal der Leichenannahme war komplett verwüstet. Zwei Kühlfächer standen einen Spalt auf, der Temperaturalarm piepte nervtötend
     ununterbrochen vor sich hin. Aus einem der Kühlfächer hing ein Zipfel von einem Kleidungsstück. Es roch nicht gut. Okay, geben
     wir der Wahrheit die Ehre: Es stank erbärmlich nach all dem Zeug, das normalerweise in den Leuten drin ist. Blut, Galle, Magen-und Darminhalt. Das ist an sich schon eklig genug, aber dazu kam ein ausgesprägter Geruch von Verwesung. Jeder, der schon
     einmal einen Stromausfall im Tiefkühlfach daran bemerkt hat, dass das Hacksteak die Tür von innen aufdrückt, weiß, was ich
     meine.
    Auf dem Boden war eine lange, blutige Schleifspur, die vom ganz rechts gelegenen Kühlfach bis kurz vor die Tür reichte. Martin
     stand mit einem Fuß mittendrin. Er rührte sich immer noch nicht.
    »Martin«, brüllte ich, »komm zu dir. Rein oder raus, aber tu was!«
    Er hielt immer noch die Tür offen, was die Fliegen freute, von denen bereits etliche durch den Spalt zischten.
    Endlich regte er sich wieder, machte den einen Schritt, den er eben in den Sektionstrakt hineingemacht hatte, wieder rückwärts,
     lehnte sich von außen an die Tür und rief über Handy die Bullen.
     
    Ich habe, seit ich tot bin, eine viel bessere Meinung von den Bullen als früher. Das mag mit meiner Lebensgeschichte zusammenhängen.
     Als Autoknacker betrachtete ich die Bullen als natürliche Fressfeinde, deren einziger Existenzsinn darin lag, mir das Leben
     schwer zu machen. Für einen kriminalistisch interessierten Halbtoten hingegen sind die Jungs sozusagen Kollegen. Zwei von
     diesen Typen kamen also in ihrer Blaulichtschaukel an und versuchten, ein paar zusammenhängende Sätze aus Martin herauszuholen.
    »Wann sind Sie hier eingetroffen?«
    »Äh   …«
    »Um sieben Uhr achtundfünfzig«, sagte ich ihm vor.
    Er plapperte es nach.
    »Woher wissen Sie die Zeit so genau?«
    »Äh   …«
    »Weil im Radio gerade die Werbung anfing. Es können auch zwei Sekunden früher oder später gewesen sein, aber das kann man
     ja beim Sender nachfragen.«
    Martin wiederholte meine
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