Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kronjuwel (German Edition)

Kronjuwel (German Edition)

Titel: Kronjuwel (German Edition)
Autoren: Eric Mann
Vom Netzwerk:
trat durch die große Eingangstür ins Freie. Kalter Wind umspielte sein Gesicht und erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Gesicht praktisch glühte. Er schloss die Augen und atmete mehrere Male tief ein und spürte, wie seine Lungen sich mit der frischen Frühlingsluft füllten. Als er seine Augen wieder öffnete, fühlte er, dass sich in ihm etwas verändert hatte. Es war ein merkwürdiges Gefühl, das ihn beschlich, als wäre in ihm ein Schalter umgelegt worden. Mit einem Mal sah er die Welt um ihn herum mit anderen Augen. Er ließ seinen Blick von der grünen Wiese vor der Fakultät über den Springbrunnen dahinter bis hin zu den mehrere hundert Meter weit entfernten Gebäuden der anderen Fachrichtungen schweifen, in denen noch immer ein paar vereinzelte Lichter brannten. Es kam ihm vor als sei er zuvor unter Wasser gewesen, mit unklar umrissenen Strukturen oberhalb der Wasseroberfläche und dumpfen Geräuschen, die durch das Wasser an sein Ohr drangen. Nun war er wieder aufgetaucht und entdeckte die Welt neu.
    Er kam nicht umhin zu bemerken, dass ihm dieses neue, veränderte Gefühl trotz allem bekannt vorkam.
    »Ich bin wieder da«, flüsterte er leise zu sich selbst und ließ es zu, dass ihn die Erinnerung an die Zeiten durchströmte, in der er noch mit festen Zielen und Idealen durch die Welt gegangen war. Er musste unwillkürlich lächeln, als ihm auffiel, dass nur ein einziger Moment, ein kurzer, heftiger Befreiungsschlag gereicht hatte, um ihm wieder Hoffnung zu geben, dass er vielleicht doch nicht von seinem Weg abgekommen war. Er hatte wieder ein Ziel vor Augen. Und er war bereit dafür alles zu geben.
    Unruhige Träume hielten ihn die gesamte Nacht über immer wieder wach. Als er aufstand zeigte sein Wecker sieben Uhr morgens an, doch Noah fühlte sich, als habe er die ganze Zeit seit er um halb drei nach Hause gekommen war nicht eine Minute geschlafen.
    Er stand auf und machte sich so schnell er konnte fertig. Ein Koffer stand bereits gepackt neben der Küchenzeile in seinem Wohnzimmer, in dem er noch in Windeseile zumindest eine gewisse Ordnung hergestellt hatte, nachdem er von der Universität zurückgekehrt war. Er wollte seine Wohnung so ordentlich wie möglich hinterlassen, damit er bei seiner Rückkehr nicht in das übliche Chaos hineinkam, das in seiner Wohnung vorzuherrschen pflegte. Es war typisch für ihn, schon jetzt daran zu denken, wie er bei seiner Rückkehr empfangen werden wollte. Immer überlegt, immer zwei Schritte weiter als alle anderen, doch bislang hatte ihm diese Fähigkeit der Planung nicht wirklich einen nennenswerten Vorteil eingebracht. Der einzige Nutzen war, dass er schneller und zuverlässiger beim Erledigen seiner Arbeit war, weil er ständig die bevorstehenden Aufgaben im Kopf hatte und sie ihn so lange quälend belasteten, bis er sie erledigte.
    Frisch geduscht trat er aus dem Bad und ging in die Küche für ein kurzes Frühstück. Er griff nach einer Müslischale, holte die Milch und Orangensaft aus dem Kühlschrank und schüttete sich Cornflakes ein. Es war ein bescheidenes Frühstück, doch Noah mochte es so, schließlich hatte er häufig morgens gar keine Zeit zu frühstücken, was das Müsli vor ihm auf dem Tisch zu einem wahren Genuss machte. Immer wenn er es nicht schaffte, sich beim Klingeln seines Weckers zum Aufstehen zu motivieren und lieber die Schlummer Taste drückte, geriet er morgens so dermaßen unter Zeitdruck, dass die erste Mahlzeit seines Tages ein belegter Bagel um die Mittagszeit war. Zu dumm, dass er praktisch jeden Tag zu große Unlust verspürte, als dass er pünktlich aufgestanden wäre.
    Doch nicht heute. Heute war sein Tag, der Tag an dem sich alles ändern würde. Das letzte Jahr hatte er damit verbracht, sich morgens zur Arbeit zu quälen, sich bei der Arbeit ständig zu ermahnen, dass es besser war als nichts und abends, wenn er endlich fertig war, eiligen Schrittes zu seinem Auto zu gehen um der Universität zu entfliehen.
    Noah konnte sich nur wage an das letzte Mal erinnern, als er morgens so voller Elan und Vorfreude auf den Tag aus dem Haus gegangen war, doch als er um halb neun seine Appartementtür aufstieß, sich seine Reisetasche über die Schulter warf und den Flur betrat, war er so euphorisch, dass es ihm praktisch ins Gesicht geschrieben stand.
    Er nahm den Aufzug nach unten und setzte darin seine Tasche wieder ab. Sie war schwer und nahezu voll gepackt. Es war eine dunkelbraune Stofftasche, die er zuletzt für einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher