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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Autoren: Orlando FIGES
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industriellen Techniken, modernen Gewehren, Dampfschiffen und Eisenbahnen, neuen Formen der Logistik und der Kommunikation wie dem Telegrafen, wichtigen Innovationen in der Militärmedizin sowie mit Kriegsberichterstattern und Fotografen direkt am Schauplatz. Gleichzeitig war es der letzte Krieg, in dem die alten Tugenden der Ritterlichkeit beachtet wurden, denn man setzte »Parlamentäre« ein und vereinbarte Waffenruhen, um die Toten und Verwundeten von den Schlachtfeldern zu entfernen. Die ersten Auseinandersetzungen auf der Krim, an der Alma und in Balaklawa, wo die berühmte Attacke der Leichten Brigade stattfand, unterschieden sich nicht allzu sehr von den Kämpfen der Napoleonischen Kriege. Aber die Belagerung von Sewastopol, die längste und ausschlaggebende Phase des Krimkriegs, nahm den industrialisierten Schützengrabenkrieg von 1914–191 8 vorweg. In den elfeinhalb Monaten der Belagerung wurden 120 Kilometer lange Gräben von Russen, Briten und Franzosen ausgehoben; die beiden Seiten tauschten 150 Millionen Gewehrschüsse sowie 5 Millionen Bomben und Granaten verschiedenen Kalibers aus. 3
    Die Bezeichnung Krimkrieg wird seinen globalen Ausmaßen und der enormen Bedeutung nicht gerecht, die er für Europa, Russland und jenen Teil der Welt hatte – vom Balkan bis nach Jerusalem, von Konstantinopel bis zum Kaukasus – , der durch die Orientalische Frage definiert werden sollte, das große internationale Problem, das sich durch die Auflösung des Osmanischen Reiches ergab. Vielleicht wäre es besser, den russischen Begriff für den Krimkrieg – »orientalischer Krieg« ( Wostotschnaja woina ) – zu übernehmen, durch den zumindest eine Beziehung zur Orientalischen Frage hergestellt wird, oder sogar die Bezeichnung »türkisch-russischer Krieg«, die in vielen türkischen Quellen verwendet wird und ihn im breiteren historischen Kontext der jahrhundertelangen Kriegführung zwischen Russen und Osmanen ansiedelt (wenngleich hier der entscheidende Faktor der westlichen Intervention unberücksichtigt bleibt).
    Der Krieg begann 1853 zwischen osmanischen und russischen Truppen in den Donaufürstentümern Moldau und Walachei, dem Territorium des heutigen Rumänien, griff auf den Kaukasus über, wo Türken und Briten den Kampf der muslimischen Stämme gegen Russland förderten und unterstützten, und von dort auf die anderen Schwarzmeergebiete. Im Jahr 1854, als Briten und Franzosen auf türkischer Seite intervenierten und die Österreicher drohten, sich diesem antirussischen Bündnis anzuschließen, zog der Zar seine Streitkräfte aus den Fürstentümern zurück, und die Kämpfe verlagerten sich auf die Krim. Aber 1854/55 gab es noch mehrere andere Kriegsschauplätze: die Ostsee, von wo die Royal Navy einen Angriff auf die russische Hauptstadt St. Petersburg plante, das Weiße Meer, von wo sie im Juli 1854 das Solowki-Kloster bombardierte, und sogar die Pazifikküste Sibiriens.
    Der globalen Dimension der Kämpfe entsprach die Vielfalt der beteiligten Menschen. Der Leser findet hier ein breites Panorama vor, in dem er es weniger, als er gehofft (oder gefürchtet) haben mag, mit Militärs zu tun hat, sondern vielmehr mit Königen und Königinnen, Fürsten, Höflingen, Diplomaten, Religionsführern, polnischen und ungarischen Revolutionären, Ärzten, Krankenschwestern, Journalisten, Künstlern und Fotografen, Pamphletisten und Schriftstellern, von denen keiner aus russischer Sicht zentraler für die Darstellung ist als Leo Tolstoi, der als Offizier an drei verschiedenen Fronten des Krimkriegs diente (im Kaukasus, an der Donau und auf der Krim). Vor allem jedoch entdeckt der Leser hier die Auffassung, ausgedrückt mit ihren eigenen Worten in Briefen und Erinnerungen, der aktiven Offiziere und der gemeinen Soldaten, von den britischen »Tommys« bis hin zu den französisch-algerischen Zuaven und den russischen, in den Krieg gezwungenen Leibeigenen.
    Es gibt viele Bücher in englischer Sprache über den Krimkrieg. Das vorliegende ist jedoch das erste in jedweder Sprache, das in großem Umfang auf russische, französische und osmanische sowie britische Quellen zurückgreift, um die geopolitischen, kulturellen und religiösen Faktoren zu beleuchten, welche die Verwicklung der einzelnen Großmächte in den Konflikt prägten. Wegen der Konzentration auf den historischen Zusammenhang des Krieges werden sich Leser, die auf den Beginn der Kämpfe gespannt sind, in den ersten Kapiteln gedulden (oder sie gar überspringen)
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