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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Autoren: Orlando FIGES
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»russischer Agenten« in der Region ans Foreign Office. Deren Ziel sei es, eine »russische Eroberung des Heiligen Landes« durch staatlich geförderte Wallfahrten und Landkäufe für orthodoxe Kirchen und Klöster vorzubereiten. Zweifellos übte der russische Klerus zu der Zeit Einfluss auf die griechischen, armenischen und arabischen orthodoxen Gemeinden aus, indem er Kirchen, Schulen und Herbergen in Palästina und Syrien finanzierte (ein Aktivismus, gegen den das Außenministerium in St. Petersburg einschritt, da es gute Gründe zu der Befürchtung hatte, dass ein derartiges Verhalten die Westmächte verärgern würde). Youngs Meldungen über die Eroberungspläne Russlands wurden immer hysterischer. »Man erfährt, dass die russischen Pilger offen darüber sprachen, es werde nicht mehr lange dauern, bis dieses Land der russischen Regierung unterstehe«, schrieb er 1840 an Palmerston. »Die Russen könnten in einer einzigen Nacht während des Osterfestes 10000 Pilger in den Mauern von Jerusalem bewaffnen. Die Klöster in der Stadt sind geräumig, und es wäre möglich, sie für ein Spottgeld in Festungen zu verwandeln.« Die britischen Ängste vor diesem »russischen Plan« führten dazu, dass die Gründung der ersten anglikanischen Kirche in Jerusalem beschleunigt – im Jahr 1845 – stattfand. 6
    Am besorgtesten über die wachsende russische Präsenz im Heiligen Land waren aber die Franzosen. Laut den französischen Katholiken hatte ihr Staat eine historische Beziehung zu Palästina, die bis zu den Kreuzzügen zurückreichte. Damit habe Frankreich, die »erste katholische Nation«, die vordringliche Aufgabe, den Glauben im Heiligen Land zu schützen, obwohl die Zahl der römisch-katholischen Pilger in jüngeren Jahren deutlich zurückgegangen war. »Wir müssen dort ein Vermächtnis bewahren, ein Interesse verteidigen«, erklärte die katholische Provinzpresse. »Jahrhunderte werden vergehen, bevor die Russen nur einen kleinen Teil des Blutes vergießen, das die Franzosen in den Kreuzzügen für die heiligen Stätten geopfert haben. Die Russen wirkten nicht an den Kreuzzügen mit … Die Vorrangstellung Frankreichs unter den christlichen Nationen ist im Orient derart etabliert, dass die Türken das christliche Europa Frankistan, das Land der Franzosen, nennen.« 7
    Um der ausufernden russischen Präsenz entgegenzuwirken und ihre Rolle als Hauptbeschützer der Katholiken in Palästina zu festigen, richteten die Franzosen 1843 ein Konsulat in Jerusalem ein (eine empörte muslimische Menge, die den Einfluss der Westmächte ablehnte, riss die gottlose Trikolore sehr bald von ihrem Mast). Bei lateinischen Gottesdiensten in der Grabeskirche und in der Geburtskirche in Bethlehem erschien der französische Konsul fortan in Paradeuniform und mit einem großen Tross von Beamten. Zur mitternächtlichen Christmette in Bethlehem wurde er von einer ansehnlichen Infanterietruppe begleitet, die Mehmet Pascha bereitgestellt, doch Frankreich bezahlt hatte. 8
    Auseinandersetzungen zwischen Lateinern und Orthodoxen waren in der Geburtskirche so häufig wie in der Kirche vom heiligen Grab. Seit Jahren stritt man sich darüber, ob lateinische Mönche einen Schlüssel zur Hauptkirche (deren Hüter die Griechen waren) haben sollten, damit sie zur Krippenkapelle durchgehen konnten, die den Katholiken gehörte; außerdem gab es Zwist in der Frage, ob sie einen Schlüssel zur Geburtsgrotte besitzen durften, einer alten Höhle unter der Kirche, und darüber, ob sie auf dem Marmorboden der Grotte an der angeblichen »Geburtsstelle« Christi einen silbernen Stern mit dem französischen Wappen und der lateinischen Inschrift »Hier wurde Jesus Christus von der Jungfrau Maria geboren« hätten anbringen dürfen. Der Stern war dort im 18. Jahrhundert von den Franzosen platziert worden, doch die Griechen hatten ihn stets als »Zeichen der Eroberung« abgelehnt. 1847 wurde der Stern gestohlen; die Werkzeuge, mit denen er aus dem Marmorboden gestemmt worden war, blieben am Schauplatz zurück. Danach bezichtigten die Lateiner sofort die Griechen, das Verbrechen begangen zu haben. Erst kurz zuvor hatten die Griechen eine Mauer gebaut, um lateinischen Priestern den Zugang zur Grotte zu verwehren, was ebenfalls eine Schlägerei auslöste. Nach der Entfernung des silbernen Sterns legten die Franzosen einen diplomatischen Protest bei der Hohen Pforte ein, der osmanischen Regierung in Konstantinopel, wobei sie sich auf einen lange vernachlässigten
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