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Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt

Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt

Titel: Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Klammergriff an meiner linken Schulter etwas nachließ und fast zeitgleich die Leuchtstoffröhren an den Bühnengangwänden wieder flackernd zum Leben erwachten, erwachte auch ich aus meinem Alpentraum, erkannte in der schwarzen Steilwand den Abhang einer Dirndlschürze und in dem schattigen Massiv eine Wucht von Frau, was mir die Vorsilbe ›Mont‹ im Namen einer gigantischen Sängerin plausibel erklärte. Ich folgte den sanften Rundungen nach oben, am um den schneeweißen Hals gehängten Silberkreuz vorbei zum Gesicht der Dirndlträgerin.
    Vor mir stand die Sängerin des Orchesters!
    Knallig rot leuchtete der heftig geschminkte Mund inmitten des Vollmondgesichts. Diesem Mund waren heute Abend während des ersten Konzertteils Worte entfleucht, die aneinandergereiht so schöne Texte ergaben wie:

    Wenn du mich küsst,
    Beginnt mein Herz zu sumsen,
    Ich träum davon, dich endlich mal zu
    fragen,
    Welch’ Pasta du für deine Zähne nützt …

    Oder so ähnlich hatte sie gesungen. Na ja. Zu singen versucht. An der Saalakustik hatte es nicht gelegen. Während ihr beim Sprechen die Worte mit der Ausdrucksvielfalt unserer heimischen Vogelwelt entfleuchten, hatte ihre Singstimme bestenfalls jammernde Uferschnepfenqualität. Und der Klammerreim war obendrein mies. Ich löste mich aus meiner gebückten Haltung, stützte mich auf den Boxen ab und richtete mich zu meiner vollen Größe auf. Trotzdem wäre, um ihr Aug in Aug gegenüberzustehen, ein Sessellift nicht unpraktisch gewesen. Von unten, also aus der dritten Zuschauerreihe, hatte sie weniger bedrohlich auf mich gewirkt, die intensive Nähe und Abgeschiedenheit hier hinter der Bühne aber machten mir Angst.
    Die Matrone hatte die Arme jetzt über ihrem Mieder verschränkt, was zugleich die atemberaubende Aussicht ein- und meine Gedanken nicht mehr so sehr be-schränkte.
    Ihre unvergleichliche Stimme schließlich war es, die mich wieder zu 100 Prozent in die Wirklichkeit zurückkatapultierte.
    »Sie müssen mir helfen!«, flehte die Waldohreule klagend.
    »Sie sind doch die Sängerin?«, stammelte ich etwas hilflos.
    »Ich bin von Ihrer Stimme sehr beeindruckt!«, log ich, und hoffte, dabei nicht rot anzulaufen.
    »Nur von meiner Stimme, junger Frrreund?«, schnarrte die Wiesenralle und rollte dabei das ›R‹ wie einst Zarah Leander, die Unerreichte. Bildete ich es mir ein, oder schleuderten mir ihre Augen sanfte Blitze entgegen?
    »Ich bin Kammersängerin. War drei Jahre in Stuttgart, zwei Jahre in Wien, Hamburg und Zürich.«
    »An der Oper?« Meine dünne Stimme versprühte nur einen Hauch ihrer Gewalt.
    »Oper?« Sie kolorierte auf dem ›O‹ wie ein Kockock mit Sprachfehler und hielt den Sopran am Ende der zweiten Silbe fragend oben.
    »Ach iwo!«, klang es zeternd wie der Paarungsruf der Wacholderdrossel, »Musical!«
    »Oh?« Ich spielte den Interessierten. »Welche Rolle?«
    »Das spielt doch keine Rolle«. Gleichgültiges Schnarren des Schilfrohrsängers. »Wer will sich heute schon auf eine Rolle festlegen! Man wird dabei sofort in eine Schublade gepresst!«
    Und die müsste Sarggröße haben, fügte ich in Gedanken hinzu.
    »Ich habe die Oma in Ich war noch niemals in New York gespielt, die Schöne im Biest und die Gazelle im König der Löwen «, plätscherte die Gartengrasmücke.
    Nicht gerade herausragende Gesangspartien, wusste ich als alter Musicalfreak, und die Gazelle musste mindestens ein Wasserbock gewesen sein, doch ich biss mir auf die Zunge.
    Die Klammersängerin fragte, diesmal schwermütig flötend wie ein Fitislaubsänger:
    »Und Sie sind von der Polizei, nicht wahr?«
    Wenn diese singende Bergidylle Kammersängerin war, konnte ich getrost als Polizist durchgehen. Also nickte ich.
    »Kommissar Zufall«, flüsterte ich geheimnisvoll und registrierte, wie sie vor Ehrfurcht erstarrte wie eine Rohrdommel im Schilf des westlichen Bodensees.
    »Der berühmte Kommissar Zufall!«, gurrte die Ringeltaube, »Constanze Voorte-Singh, mit C wie Coloratur«, stellte sie sich vor, »mein verstorbener Mann war Chinese«, fügte sie noch erklärend hinzu und reichte mir ihre Rechte.
    Da war sie wieder, die Klammer. Die Frau hatte den Händedruck eines Orang-Utans und konnte sicher wie der Seewolf Raimund Harmstorf selig eine rohe Kartoffel mit der bloßen Hand zerquetschen.
    Mein zartes Detektivhändchen verschwand in ihrer Pranke wie ein Streichholz in einem Schraubstock. Ich fragte mich im Stillen, woran wohl ihr chinesischer Mann gestorben war.
    »Ich
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