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Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt

Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt

Titel: Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Graf-Zeppelin-Hauses in Friedrichshafen am Bodensee.
    Nur der Zwiebelduft war noch Realität. Er entströmte in einer schweren Wolke dem Odem des Mannes, der in dieser Sekunde neben mich ans Waschbecken trat, und dessen kantige Visage, die an den alten Ben Cartwright aus Bonanza erinnerte, mich jetzt aus dem Spiegel anstarrte. Der Mann war Polizist, das erkannte ich auf den ersten Blick.
    Mein Gespräch mit dem Leiter der Kriminalinspektion 1, Kriminalhauptkommissar Sepp Donner – wie er sich mir vorstellte – auf dem Männerklo verlief nicht zu meinen Gunsten. Der in mehreren Ehen ergraute Bulle – ich erfuhr später, dass er kurz vor der dritten Scheidung stand – hatte offensichtlich schlechte Laune und sprach von Amtsanmaßung, Ämtermissbrauch und Freiheitsberaubung, nur weil ich veranlasst hatte, dass der Saal abgeschlossen wurde und niemand die Halle verlassen sollte.
    Seine hohe, krächzende Stimme quietschte wie ein halbfeuchter Putzlappen, der über eine trockene Glasscheibe wischt. Genau die Frequenz, die bei mir unmittelbar Zahnweh erzeugt, weil sie genau den sirenenartigen Ton des Zahnarztbohrers trifft. Doch sein ›S‹-Fehler, der klang, als ob seine Oberkiefervorderzähne sich über die Unterlippe stülpten, machte ihn richtig sympathisch. Statt ›Z‹ brachte er nur ein ›Tf‹ heraus, und jedes ›S‹ klang wie ein ›F‹.
    »Tfeugen!«, polterte er los. »Wie foll denn einer auf der letften Reihe waf gefehen haben?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Vielleicht Opernglas?«, versuchte ich.
    »Fie Idiot! Fie können doch nicht fünfhundertfünfundviertfig Leute grundlof in einem Faal einfperren …!«
    »600!«, korrigierte ich. »Und nicht 5- sondern 46. Ich bin schließlich auch geblieben.«
    »Ffnautfe! Ob fechfhundertfechfundviertfig oder fünfhundertfünfundviertfig fpielt nicht die geringfte Rolle!«, herrschte er mich an. »Wie kommen Fie überhaupt datfu …?«
    Ich hielt es zum einen für angebracht, mich vorzustellen, und ihm daher zum anderen meine Visitenkarte unter die Nase zu halten.
    »Fofo«, kommentierte er, »ein Kollege alfo! Ab fofort halten Fie fich da rauf, ich bin hier der Kommiffar! Haben wir unf verftanden, Herr Tfufall?«
    Er ließ mich stehen wie einen begossenen Pudel.
    Ich verließ kurz nach ihm den Sanitärbereich, um trotz seines Befehls wieder aktiv ins Geschehen einzugreifen. Niemand kümmerte sich um mich. Das Getümmel auf der Bühne und im Saal als ein heilloses Chaos zu bezeichnen, wäre leicht untertrieben.
    27 Musiker und ein Schlagzeuger – die Leiche des Posaunisten nicht mitgezählt – hingen tuschelnd auf ihren Stühlen, da der echte Kommissar das Verlassen der Plätze verboten hatte, bis durch die Kriminaltechnik alle verwertbaren Spuren gesichert waren.
    Die Techniker des Unternehmens, der Hausmeister, die Sängerin und der Sänger, Meister Plasma und die Herren von der örtlichen Feuerwehr hatten sich in einem Pulk zusammengefunden und wurden von einem der Kriminalbeamten zu Einzelgesprächen gebeten.
    Behandschuhte Beamte der Kriminaltechnik huschten umher, Fotoapparate und Taschenlampen blitzten auf, Letztere nach Spuren leuchtend, die Auskunft über die Herkunft des tödlichen und offensichtlich hinter der Bühne abgeschossenen Pfeils geben konnten.
    Das Publikum hatte der Bühne größtenteils den Rücken zugewandt und strebte den beiden inzwischen wieder freigegebenen Ausgängen zu, wo sich lange Schlangen bildeten, denn der echte Kommissar hatte seine engsten Mitarbeiter um sich geschart und die Anweisung gegeben, jeden im Saal vor Verlassen zu dem Vorgang zu befragen und die Personalien aufzunehmen. Meine Rede!
    »Alle 646?«, fragte eine junge Kriminalbeamtin und kassierte dafür nicht nur einen strengen Blick ihres Vorgesetzten, sondern einen formlosen Anschiss:
    »Alle fechfhundertfechfundviertfig werden befragt. Wir nehmen von allen Telefonnummer und Namen auf, und dann fficken wir fie nach Haufe!«, herrschte er sie an.
    Der begossene Pudel in mir wedelte erfreut mit dem Schwanz. Ich hob das Bein und stieg über die Kabeltrommel, die mir den Weg versperrte, um Langfried noch einmal näher zu betrachten, bevor er irgendwann von den Sanitätern eingetütet und als Sargkonserve aus dem Saal befördert werden würde.
    Langfried hatte sich nicht bewegt. Stirn und Nase pressten sich auf den schweren schwarzen Notenständer oder genauer gesagt auf das Notenblatt der Polka ›Schorle voraus‹, deren Töne das Letzte waren, was er als
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