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Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt

Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt

Titel: Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Ich rappelte mich auf, stülpte der jetzt Grauköpfigen die Kunsthaare über den Schädel, stammelte »sorry!«, weil ich die falsche Dame erwischt hatte, nahm ihr den Putz wieder ab, setzte den Skalp seiner wahren Besitzerin auf und hielt, ohne eine Reaktion abzuwarten, auf die Bühne zu. Mit gekonntem Schwung erklomm ich deren Rand und entwand dem verdutzten Ansager das Mikrofon.
    »Türen abriegeln! Keiner verlässt den Saal! 110 rufen!«, befahl ich dem Haustechniker und ging zu dem leblos über dem Notenpult Hängenden, der von seinen Musikkameraden in einem doppelten Kreis umringt wurde. Die beiden Feuerwehrleute, die an diesem Abend Bühnendienst hatten, waren herbeigeeilt, um Erste Hilfe zu leisten. Doch ihrem Kopfschütteln entnahm ich, dass es dafür zu spät war.
    Zwischen breiten Schultern und schweißtriefenden Achselhöhlen hindurch erkannte nun auch ich, was dem Posaunisten den Tod gebracht hatte: Das kleine Federbüschel eines schmalen, kurzen Pfeils ragte zwischen den Haaren aus dem Nacken wie aus einer Dartscheibe heraus.
    Ich hatte vor Jahren den Amazonas befahren und wusste auf Anhieb, was ich vor mir hatte: Mit solchen Pfeilen, getränkt in Curare, einem Gift, das von einigen farblich höchst attraktiven Minifröschen im Regenwald produziert wird, töteten die Indios ihre Beute.
    Ob der Pfeil im Nacken des Posaunisten vergiftet war?
    Ich wandte mich dem Publikum zu und gab meiner Stimme den beruhigenden Klang eines Hypnotiseurs. So erreichte ich durch mein geschultes Auftreten und die professionellen Anweisungen binnen Sekunden die ungeteilte Aufmerksamkeit des Auditoriums. Ich stellte mich wie gehabt vor, und merkte am ungläubigen Kopfschütteln, dass man mich kannte.
    »Achtung, hier spricht die Polizei! Kommissar Zufall, mein Name. Bitte bewahren Sie Ruhe, bis meine Kollegen da sind, und halten Sie Ihren Personalausweis oder den Führerschein bereit!«
    Ich fand, ich klang über die professionelle Tonanlage wie die Synchronstimme von Columbo, und mein zerknittertes Gesicht verstärkte sicher diesen Eindruck. Schade, dass ich meinen Trenchcoat an der Garderobe abgegeben hatte.
    »Und bis es soweit ist, machen wir noch etwas Musik«, zitierte ich einen bekannten Rundfunkmoderator und fasste den Bandleader ins Auge.
    »Habt ihr vielleicht was in Moll oder was Getragenes?«, fragte ich.
    »Wir spielen nur Polka, Marsch und Walzer«, entgegnete Pepe Plasma.
    »Ein langsamer Walzer?«
    »Ohne unseren ersten Posaunisten?«, fragte er.
    »Oder ein Signal«, schlug ich vor. So wie in Winnetou III an der traurigen Stelle. Wo sogar Lex Barker geweint hat. Das hatte mich schon als Kind mitgenommen. Damals wollte ich unbedingt Trompete lernen. Doch da noch die Flöte vom Döte auf dem Dachboden lag, ging ich einen anderen Weg.
    »Ich kenn’ nur ›Sau tot‹ von den Jagdhornbläsern aus Schwäbisch Halali!«, sagte der Trompeter jetzt. »Oder ›Has tot‹ – zur Not. Aber dazu braucht man Parforcehörner, und wir haben nur Tenorhörner und Waldhörner.«
    »Vielleicht sein Lieblingsstück?«, half ich und deutete auf den Toten. Plasma gab seinem Orchester die Anweisung weiter.
    Sie spielten den Bayrischen Defiliermarsch.
    Langfried freute sich nicht mehr.
    Mein Hungergefühl kehrte zurück, und ich ging aufs Klo.
    1 Musikalischer Fachausdruck für Töne auf der unbetonten Zählzeit
    2 Fachausdruck aus der Marschordnung für nebeneinander stehende Musikanten im Unterschied zur hintereinander angeordneten Reihe

Backstage
    Der LKW mit ABS 3 duftete verlockend. Zwar waren Maultaschen – und zwar geschmälzt und nur mit Zwiebeln, nicht mit Ei – meine Leibspeise, aber Leberkäse war auch nicht zu verachten. Das Brötchen war frisch gebacken, der Leberkäse hatte durch Zutaten wie Paprika und Zwiebeln Farbe und Geschmack einer Pizza Napoli angenommen, und den Senf hatte ich mir auf die Unterseite des saftigen Fleischbrockens schmieren lassen, damit er die sensibelsten Stellen des Gaumens und der Zunge auf direktem Weg erreichen konnte.
    Mir lief förmlich das Wasser im Mund zusammen bei der Vorstellung, gleich hineinzubeißen, ich sog den Geruch ein, der Appetit wuchs ins Unermessliche, und dann beging ich den verhängnisvollen Fehler, statt dem Mund meine Augen zu öffnen.
    Das war ein unverzeihlicher Fauxpas, denn im selben Moment löste sich der Wunschtraum im Nichts auf. Futsch war der LKW samt ABS, und das einzige Wasser, das lief, war das der Klospülung in der Herrentoilette des
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