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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Autoren: Karlheinz Deschner
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Schlacht geführt, habe vorsorglich erst das Holz geteilt, um so der Welt, für alle Fälle, und der Fall trat ein, den davon ausströmenden Gnadenschatz zu erhalten. Denn auch geteilte Reliquien, ein uralter christlicher Lehr- und Glaubenssatz, vermitteln ungeteilte Gnadenwirkung ... Eine kommode Religion, wie sich immer wieder zeigt.
    Zum Beispiel auch gleich bei Guy de Lusignan, Jerusalems letztem König. Auf sein Ehrenwort, das Land zu verlassen, hatte Saladin ihm die Freiheit geschenkt. Aber Guy ließ sich in der Beichte alsbald von seinem Ehrenwort entbinden und bekämpfte Saladin erneut. Doch dieser gewann nun rasch eine christliche Festung und Hafenstadt nach der andern, gewann Akkon, Nazareth, Cäsarea, Sidon, Askalon, Jubail und stand am 21. September 1187 vor dem von Flüchtlingen überquellenden Jerusalem, worin man noch Knaben bewaffnet hatte, insgesamt sechzigtausend Kämpfer, »Helden des Irrtums mit Lanzen«, sagt Imad ad-Din. Täglich machten die Christen Ausfälle, attackierten und verteidigten sich auf jederlei Art und Weise. »Auf beiden Seiten brannte jedes Herz im Feuer der Sehnsucht«, behauptet der arabische Chronist. Denn beide Seiten, wie auch Ibn al-Atir betont, sahen den Krieg »als Angelegenheit der Religion«, als »unumstößliche heilige Pflicht« an. »Es brauchte nicht des Befehls der Vorgesetzten, um die Soldaten anzufeuern, alle verteidigten ihren Posten furchtlos, alle griffen an, ohne zurückzublicken.« 11
    In der Auferstehungskirche wollten die christlichen Verteidiger sterben. »Hier sollen unsere Köpfe fallen«, riefen sie, »unsere Seelen vergehen, hier soll unser Blut fließen, wollen wir unser Leben verlieren.« Sie hatten die Kirche, wie ungezählte andere Kirchen, zu einer Festung umfunktioniert und auf den Mauern ihre Katapulte errichtet. Aber am 2. Oktober kapituliert Jerusalem, bedeutsamerweise an dem Tag, »in dessen Nacht die Himmelsreise des Propheten stattgefunden«.
    Was allein zählt: Kein Mensch verliert sein Leben. Niemand wird auch nur verletzt, nirgends geplündert. Kein Tropfen Blut fließt mehr. Man erinnere sich des Monstermassakers bei der Einnahme Jerusalems 1099!
    Saladin erlaubte nun den Unterlegenen, sich loszukaufen. Mehreren Tausenden von unbemittelten Christen erläßt er das Lösegeld, ja, er beschenkt manche. Er gewährt gefangenen Familienvätern, Ehemännern die Freiheit, sogar sicheres Geleit – »auf eigene Kosten bot er ihnen Schutz und Verpflegung und befahl seinen Hafenbeamten, sie unter anständigen Bedingungen einzuschiffen« (Oldenbourg). Viele andere »kauft« sein Bruder und Nachfolger al-Adil und entläßt sie dann mit Saladins Einverständnis.
    Trotzdem wanderten noch Ungezählte in die Sklaverei. Denn die reichen Christen halfen ihren armen Brüdern nicht, verweigerten ihnen vielmehr, wie der hohe katholische Klerus, das Lösegeld. Nur die Templer und Johanniter zahlten aus Furcht vor einem Volksaufruhr; doch sie zahlten viel zuwenig. Saladin gab darauf noch 500 Menschen frei, und sein Bruder Malik-al-Adil ließ sich tausend Arme als Beute zusprechen und gab sie ebenfalls frei. Auch räumte er ihnen weitere Zahlungserleichterungen ein.
    Dagegen zieht der katholische Patriarch von Jerusalem, Heraklios, nachdem er – er, nicht die Muslime – noch den Felsendom, die Auferstehungskirche und andere Kirchen geplündert, mit Goldplatten, mit Gold- und Silberarbeiten vom »Heiligen Grab«, mit Schätzen übervoll beladen, »gebeugt unter der Last des Goldes, das er bei sich trug, und gefolgt von Wagenladungen mit Teppichen und silbernem Tafelgeschirr«, an den empörten »Ungläubigen« vorbei in die Freiheit. Schon früher hatte er gelegentlich mit Lustweibern die Pilgergaben verpraßt. Seine juwelengeschmückte Mätresse, die »Patriarchin«, war stadtbekannt. Jetzt schiffte er sich mit all seinem Reichtum nach Europa ein – und predigte dort, von Ort zu Ort, einen neuen Kreuzzug. Katholische Flüchtlinge werden von ihren eigenen Baronen beraubt, andere von italienischen Schiffskapitänen erpreßt, bis diese Saladin zu kostenlosem Transfer zwingt. 12
    Etwa fünfzehntausend Christen sollen dennoch, als Zahlungsunfähige, in die Sklaverei gewandert, überallhin verstreut worden sein, siebentausend Männer, achttausend Frauen und Kinder. »Wie viele gut behütete Frauen wurden entehrt, herrschende beherrscht, junge Mädchen geheiratet, Edle verschenkt, wie viele Geizende mußten sich hingeben, wie viele Verborgengehaltene verloren
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