Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzweg der Zeit

Kreuzweg der Zeit

Titel: Kreuzweg der Zeit
Autoren: Andre Norton
Vom Netzwerk:
aus einer bösen Klemme geholfen. Aber ich muß Sie bitten, alles weitere mir zu überlassen. Wir werden Sie nicht lange belästigen.«
    »Ich ziehe mich erst mal an.« Blake stand auf.
    Der Geheimdienstler hatte sich neben dem bewußtlosen Revolvermann niedergekauert. Blake band sich eben im Bad den Schlips um, als eine von ihm im Spiegel des Badezimmers beobachtete Szene ihn zurück ins Schlafzimmer führte. Der Mann, der sich als Kittson vorgestellt hatte, durchsuchte den bewußtlosen Gefangenen, und die seltsamen Begleitumstände dieser Leibesvisitation verwirrten Blake.
    Der Mann der Bundes-Exekutive fuhr mit dem Finger durch die öligen Haare des anderen, offenbar auf der Suche nach etwas. Dann leuchtete er ihm mit einer kleinen Taschenlampe in Ohren und Nasenlöcher. Zuletzt untersuchte er den halboffenen Mund des Bewußtlosen und zog eine Zahnprothese heraus. Der Agent sagte nichts, doch konnte Blake seinen Triumph geradezu spüren, als er von der Unterseite des Zahnersatzes eine kleine runde Scheibe löste, die er in ein Taschentuch wickelte und in die Tasche steckte.
    »Möchten Sie sich jetzt waschen?« fragte Blake beiläufig.
    Kittson straffte sich. Er sah auf und direkt in Blakes Augen. Und seine Augen waren von seltsamer Art – beinahe gelb und ohne ein Wimpernzucken, wie der Blick einer Raubkatze. Sein Blick bohrte sich immer tiefer in Blakes Augen – oder versuchte es wenigstens –, doch dieser hielt dem Blick stand und starrte zurück. Der Agent stand auf.
    »Ja, eigentlich schon.« Seine Stimme klang sanft, trügerisch sanft, glaubte Blake. Er war sicher, daß er den Mann irgendwie in Überraschung versetzt hatte, daß er anders reagiert hatte, als es der andere erwartet hatte.
    Als Kittson sich die Hände abtrocknete, klopfte es an der Tür.
    »Meine Leute.« Der Agent war dessen so sicher, als könnte er durch die Wand sehen. Blake schloß auf und öffnete.
    Draußen standen zwei Männer. Unter anderen Umständen hätte er ihnen keinen weiteren Blick geschenkt, doch nun besah er sie sich mit doppeltem Interesse.
    Der eine war fast so groß wie Kittson. Das breitflächige, sommersprossige Gesicht wurde von einem roten Haarschopf gekrönt, der nur teilweise von einem Hut verdeckt wurde. Im Gegensatz dazu war der andere nicht nur klein von Wuchs, sondern zierlich und feinknochig, beinahe zart. Sie bedachten Blake mit flackernden Blicken, als sie an ihm vorbeigingen, und er hatte das Gefühl, abgeschätzt zu werden – eingereiht und katalogisiert für alle Zeiten.
    »Okay, Chef?« fragte der Rothaarige.
    Kittson trat beiseite und gab den Blick auf den Mann am Boden frei.
    »Er gehört euch, Leute.«
    Sie brachten den Revolvermann teilweise zum Bewußtsein und schleppten ihn hinaus. Kittson blieb und versperrte die Tür nach ihrem Weggang.
    Blake sah ihm mit hochgezogenen Brauen zu. »Ich kann Ihnen versichern«, sagte er, »daß zwischen mir und dieser Person keine Beziehung besteht.«
    »Da bin ich ganz sicher. Trotzdem –«
    »Das ist doch eine Angelegenheit, die mich nichts angeht. Stimmt's?«
    Zum erstenmal verzog Kittson die unbeweglichen Lippen zum Schatten eines Lächelns. »Genau. Uns wäre es lieber, kein Mensch wüßte von dieser Episode.«
    »Mein Pflegevater war bei der Polizei. Ich rede nicht, wenn es fehl am Platz ist.«
    »Sie kommen von außerhalb?«
    »Ja, ich stamme aus Ohio. Meine Pflegeeltern sind tot. Ich wollte mich hier auf der Havers einschreiben«, antwortete Blake der Wahrheit entsprechend.
    »Havers – Sie sind also Kunststudent?«
    »Ich hege diesbezüglich berechtigte Hoffnungen.« Blake wollte sich nicht ablenken lassen. »Fünf Minuten Nachforschungen Ihrerseits werden alle meine Angaben bestätigen.«
    Kittsons angedeutetes Lächeln wurde breiter. »Ich habe nicht die geringsten Zweifel. Aber sagen Sie mir eines: wieso haben Sie die Tür im entscheidenden Moment geöffnet? Ich könnte jeden Eid darauf leisten, daß Sie uns nicht den Gang entlangkommen hörten, nicht durch diese dicken Wände, und –« Er runzelte die Stirn und sah Blake mit raubkatzenhafter Eindringlichkeit an.
    Blake verlor einen Bruchteil seiner Sicherheit. Wie sollte er denn jene seltsamen Blitze von Vorahnung erklären, die er in Abständen sein Leben lang gehabt hatte und die ihn vor einer drohenden Gefahr warnten? Wie konnte er diesem Mann erklären, daß er mindestens eine Stunde lang in der Dunkelheit gesessen hatte, mit der Gewißheit, daß etwas passieren und ein Eingreifen von seiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher