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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition)
Autoren: Brom
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Türen hervor. Als Jesse sich näherte, gab die Hupe ein letztes gurgelndes Blöken von sich, das nach einer sterbenden Ziege klang, und verstummte. Jesse starrte den schwarzen Teufel an, nur dass der Mann weder richtig schwarz war noch wirklich der Teufel. Er trug einen grob von Hand genähten Mantel, vermutlich aus einem Bärenfell, und seine Haare und die zerlumpten Kleider waren mit Ruß und Teer beschmiert. Seine Haut erinnerte Jesse an einen Minenarbeiter, dessen Gesicht und Hände zum Feierabend mit einer dicken Schicht Kohlestaub verkrustet waren. Bei den Hörnern handelte es sich lediglich um an der Kapuze festgenähte Kuhhörner, doch die Augen des Mannes glommen in einem tiefen, feurigen Orange, und die winzigen schwarzen Pupillen in der Mitte pulsierten. Die Augen folgten Jesse, als er um das Auto herumging. Jesse zögerte. Er war sich nicht sicher, ob er sich näher heranwagen sollte. Der seltsame Mann hob die Hand und winkte Jesse mit einem langen, gesplitterten Fingernagel zu sich. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch nur ein Mundvoll Blut quoll ihm über die Lippen. Die Hand des Mannes sackte herab, und sein Blick erstarrte, auf Jesse gerichtet. Langsam erlosch das Feuer in seinen faszinierenden Augen, und sie verwandelten sich in ganz gewöhnliche braune Augen.
    »Das war wirklich seltsam«, sagte eine Frau.
    Jesse fuhr herum und stellte fest, dass Phyllis Tucker direkt neben ihm stand, bekleidet mit ihrem Nachthemd, Hausschuhen und der Försterjacke ihres Mannes. Phyllis war über siebzig, eine kleine, alte Dame, und schien fast völlig in der Jacke zu verschwinden.
    »Hä?«
    »Ich sagte, das war wirklich seltsam.«
    Er nickte gedankenverloren.
    »Haben Sie gesehen, wie sich seine Augen verändert haben?«
    »M-hm.«
    »Das war wirklich seltsam.«
    »Ja, Ma’am, allerdings.«
    Inzwischen hatten sich weitere Nachbarn nach draußen gewagt und näherten sich neugierig.
    »Glauben Sie, dass er tot ist?«, fragte die alte Dame.
    »Gut möglich.«
    »Er sieht tot aus.«
    »Da könnten Sie recht haben.«
    »He, Wade«, brüllte Phyllis. »Ruf einen Krankenwagen! Wade, hörst du mich?«
    »Na klar«, brüllte Wade zurück. »Man kann dich ja auch kaum überhören. Die sind schon auf dem Weg. Heilige Scheiße, ist das kalt hier draußen. Hast du meine Jacke gesehen?«
    Drei Anhänger weiter näherten sich die Töchter der Powells, die Teenager Tina und Tracy, gefolgt von Tom und seiner Frau Pam. Pam versuchte, sich gleichzeitig eine Zigarette anzuzünden, ihr Bier festzuhalten und zu telefonieren.
    »Warum ist er denn ganz schwarz?«, fragte Tina und fügte, bevor jemand Gelegenheit zu einer Antwort hatte, schnell hinzu: »Wo kommt er her?«
    »Jedenfalls nicht aus der Gegend«, sagte Phyllis. »Das kann ich dir sagen.«
    »Sieht so aus, als wäre er von irgendwo runtergefallen«, meinte Tom. »Von irgendwo weit oben.«
    Alle mit Ausnahme von Jesse blickten zum Himmel.
    »Vielleicht aus einem Flugzeug?«, fragte Tina.
    »Oder vom Schlitten des Weihnachtsmanns«, mischte Jesse sich ein.
    Phyllis bedachte ihn mit einem verdrießlichen Blick. »Denken Sie bloß nicht, der liebe Gott fände es gut, wenn man sich über die Toten lustig macht.«
    Jesse nahm die unangezündete Zigarette aus dem Mund und grinste Phyllis an. »Der liebe Gott scheint das meiste von dem, was ich tue, nicht gut zu finden, Misses Tucker. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?«
    Billy Tucker traf ein, während er sich noch die Jeans hochzog. »Mein Auto! Würdet ihr euch bitte mal ansehen, was der Kerl mit meinem Auto gemacht hat!«
    Aus der Ferne hörte Jesse eine Sirene. So schnell kommt kein Notarzt. Das muss ein Streifenwagen sein. Er spannte die Kiefermuskeln an. Jesse konnte nicht noch mehr Ärger gebrauchen, nicht heute Nacht. Falls Polizeichef Dillard gerade Dienst hatte, konnte sich die Sache zu einer üblen Szene auswachsen. Jesse wandte sich ab und ging zu seinem Anhänger zurück.
    Etwa auf halbem Weg fiel ihm ein, dass noch etwas vom Himmel herabgestürzt war und sein Dach durchschlagen hatte. Die Chancen standen ziemlich gut, dass dieses Etwas nach wie vor dort drin war – und wartete. Noch einer von denen? Er musste immer wieder an die Augen dieses Wesens denken, unheimlich, orangefarben. Eines wusste er mit Sicherheit: Er wollte um nichts in der Welt im selben Zimmer mit einem von ihnen sein, was immer sie auch waren, solange es noch am Leben war. Er griff durch das Seitenfenster seines Wagens und angelte den
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