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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition)
Autoren: Brom
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Fahrerkabine, kein Neuwagen, aber jünger als sein letzter und voll abbezahlt. Er stieg aus, trat auf die Veranda und klopfte an die Tür. Kurz darauf waren schlurfende Schritte zu hören. »Eine Sekunde«, rief jemand. Dann öffnete Polly Collins die Tür. »Du hast einen neuen Haarschnitt.«
    Jesse nickte. »Stimmt.«
    »Sieht irgendwie komisch aus.«
    Er runzelte die Stirn.
    »Aber du bist sicher nicht gekommen, um mit mir zu reden«, sagte sie.
    »Mit der Wette hätten Sie gutes Geld gewinnen können.«
    »Ich habe dir trotzdem etwas zu sagen. Zwar weiß ich nicht, was für eine Rolle du bei diesem ganzen Schlamassel gespielt hast, aber …« Sie biss sich auf die Unterlippe und schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Die Sache ist die … so, wie Linda es erzählt, ist sie wohl in eine üble Sache hineingeraten … wirklich übel. Ich habe keine Ahnung, was du mit Dillard gemacht hast … ich muss es auch nicht erfahren, nur …« Jesse begriff, dass der alten Frau fast die Tränen kamen. Sie berührte ihn an der Hand. »Ich wollte dir bloß sagen … dass ich es zu schätzen weiß.« Dann lächelte sie; es war das erste Mal, dass sie ihn überhaupt anlächelte. »Warte, ich gehe Linda holen.«
    »Misses Collins, könnten Sie mir vielleicht einen Gefallen tun? Würden Sie kurz mit Abigail spazieren gehen? Ich brauche ein bisschen Zeit allein mit Linda.«
    Sie nickte. »Aber sicher doch.«
    Jesse musste etwa eine Minute warten, aber es kam ihm eher wie zehn Minuten vor. Ihm fiel auf, dass er die Hände knetete. Unter Aufbietung all seiner Willenskraft hielt er sie still und steckte sie in die Hosentaschen. Es war das erste Mal, dass er Linda seit jenem Morgen bei Dillard gegenübertrat, und er hatte keine Ahnung, wie die Dinge zwischen ihnen standen.
    Linda schob das Fliegengitter beiseite und trat auf die Veranda. Sie standen ein Stück voneinander entfernt. Keiner von ihnen sagte etwas, ihnen schienen beiden die Worte zu fehlen.
    Da fiel Lindas Blick auf seine Füße. »Du hast dir neue Stiefel gekauft?«
    »M-hm.«
    »Die sind wirklich schick.«
    »Ja … Linda?«
    »Ja?«
    »Ich bin unterwegs nach Memphis.«
    Sie presste die Lippen aufeinander. »Geht es um deine Musik? Spielst du dort deine Songs?«
    Er nickte. »Ich muss mein Bestes geben, und mehr. Keine billigen Absteigen mehr. Ich versuche es bei diesem DJ und hoffe, dass er mir ein paar Tipps geben kann. Wenn ich in Memphis nicht auftreten kann, fahre ich weiter nach Nashville.«
    »Jesse, das ist wunderbar. Und es ist verdammt noch mal Zeit. Du wirst ganz …«
    »Linda, du hast mich einmal gefragt, wie du an mich glauben sollst, wenn ich es nicht selbst tue. Ich habe kürzlich diesen … diesen … äh … wirklich großen Typen kennengelernt … Sagen wir einfach, er hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Was ich sagen will, ist mehr oder weniger, dass ich jetzt an mich glaube, an meine Musik … aber ich glaube auch an uns … Mehr als je zuvor. Ich hatte gehofft, dass du mich vielleicht mit Abigail begleiten würdest.«
    Ihre Augen leuchteten auf.
    »Ich will dir nicht versprechen, dass es leicht wird. Aber ich bin ein anderer Mensch geworden. Ich habe ein bisschen Geld auf die Seite gelegt und habe, was noch viel wichtiger ist, einen Plan. Was hältst du davon? Meinst du, mit uns beiden ist es noch einen Versuch wert?«
    Sie schaute ihm lange und tief in die Augen, als suche sie darin nach etwas. Jesse vermutete, dass sie es gefunden hatte, denn sie nickte.
    »Es würde mir gefallen, Jesse … Ich würde es gerne noch mal mit uns beiden versuchen.«
    Er lächelte, und sie umarmte ihn fest. Nach einer Minute spürte er, dass sie weinte.
    »Es tut mir schrecklich leid … alles. Ich wusste nicht …«
    Er legte ihr einen Finger an die Lippen. »Pst. Reden wir nicht davon. Wenn wir zusammen nach Memphis fahren, fangen wir noch mal ganz von vorne an. Wir lassen das alles hinter uns. Abgemacht?«
    »Abgemacht«, sagte sie.

Kapitel 19
    Julzeit

    B oone County in West Virginia
    Ein Jahr später
    Am Weihnachtsabend
    Auszug aus dem Boone Standard vom 24. Dezember 2012
    Bill Harris, Redaktion

    Jesse Walker, der Newcomer von Nashville, spielte am Samstagabend vor vollem Haus beim ersten Krampus-Festival im Horton’s an der Route 3 bei Orgas. Laut Horton White, Inhaber des Lokals und Organisator des Festivals, handelte es sich um eine Wintersonnenwendfeier, bei der alte Julbräuche gepflegt wurden. Die Anwesenden nahmen
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