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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 4
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abgeräumt. Sie hat das Restaurant dann aufgeben müssen, es war ja kein Geld mehr da; es blieb ihr nur noch ihr altes Haus, da hat sie sich verkrochen, und kein Mensch konnte sich erklären, wie und von was sie dort gelebt hat, gearbeitet hat sie jedenfalls nicht mehr.
    Ich weiß nicht, ob es eine wahre Geschichte ist oder ob er sie nur erfunden hat; ich finde sie so langweilig, dass ich irgendwann dann doch einschlafe. Wach werde ich erst, als wir anhalten. Ich sehe mich um; wir stehen vor einem kleinen, schäbigen Haus, einem Flachdachbungalow, wie man ihn in den Fünfzigerjahren gebaut hat. Weiter ist da nichts, nur eine große Wiese mit Obstbäumen, hinter dem Haus ein Hügel, oben ein kleines Wäldchen und vor dem Haus ein Brunnen, der mit einer Holzplatte abgedeckt ist. Ich hoffe doch sehr, dass wir hier nicht übernachten werden. Ich steige aus, mein Mann hat schon die Haustür geöffnet. Ich solle mir das Häuschen schon mal ansehen, er komme nach, er müsse noch etwas ausladen. Widerwillig betrete ich den dunklen Flur; ein muffiger Geruch schlägt mir entgegen. Hier bleibe ich nicht, das steht schon mal fest. Es ist grottenhässlich: Holz, wohin ich auch blicke, oder vielmehr Holzimitat aus Plastik, die Decke ist damit verkleidet, ebenso die Wände. Hinter der ersten Tür, die ich öffne, liegt die Küche. Auch hier dieses Plastik, das Mobiliar sieht aus wie vom Sperrmüll. Und es stinkt zum Himmel, nein, ich habe genug gesehen, ich gehe wieder in den Hof. Vor der Tür, im feuchten Gras, liegt Werkzeug, ein Spaten, eine Schaufel und eine große, glänzende Axt. Mein Mann hat inzwischen die Holzplatte vom Brunnen geschoben, er sitzt auf den glitschigen, bröckelnden Steinen des Randes, grinst mich fröhlich an und klopft einladend auf den Stein neben sich; ich soll mich zu ihm setzen. Ich frage ihn, was das Ganze soll, und dann erzählt er es mir. Er hat seinen Job gekündigt, er hat tatsächlich einen Käufer für unser Haus gefunden, der einen recht anständigen Preis dafür gezahlt hat. Dafür hat er dieses schäbige und heruntergekommene Häuschen gekauft, es hat jener Frau gehört, deren Mann sie mit der Kellnerin verlassen hat und ging dann – der Mann ist nicht wieder aufgetaucht – an die Gemeinde. Er wird noch etwas für die dringendsten Renovierungen brauchen, und von dem Rest kann er sorgenfrei leben und sich ganz seiner Schriftstellerei widmen. Ich kann gar nicht so genau sagen, was dann passiert ist. Ich sehe rot, buchstäblich knallrot – ich hätte nie gedacht, dass es das wirklich gibt. Plötzlich stehe ich vor meinem Mann, packe ihn an den Beinen und kippe ihn nach hinten. Er schlägt mit dem Hinterkopf hart auf die Einfassung, dann fällt er in den Brunnen. Das ist so schnell passiert, ich kann es kaum glauben. Ich sehe mich um, hat uns jemand gesehen? Aber da ist niemand, kein anderes Haus in der Nähe, ich bin ganz allein auf der Welt. Was mache ich nur, wenn er wieder auftaucht? Er kann schwimmen, und vielleicht ist der Brunnen gar nicht so tief, vielleicht kann man sogar darin stehen? Widerwillig beuge ich mich über das modrige grüne Wasser, es stinkt entsetzlich, noch viel schlimmer als im Haus. Nein, nichts zu sehen. Ich warte vorsichtshalber noch, eine halbe Stunde oder so, bis ich sicher sein kann, dass er wirklich ertrunken ist. Dann rufe ich die Polizei an, es dauert aber, bis sie kommen, denn ich kann gar nicht so genau beschreiben, wo ich eigentlich bin.
    Alles geht gut, sie glauben mir, dass mein Mann abgerutscht ist. Ich wollte ihn noch halten, leider war er zu schwer für mich. Es ist schrecklich, wir hatten uns so auf unser neues Leben in der Eifel gefreut und dann passiert so etwas. Als alles geklärt ist, fährt mich ein junger Polizist in ein hübsches kleines Hotel.
    Natürlich habe ich den Termin bei meinem Arzt nicht geschafft, bei einem plötzlichen Todesfall gibt es ja immer so viel zu erledigen. Übrigens fehlt mir gar nichts mehr, im Gegenteil, ich fühle mich so wohl wie seit Monaten nicht. Ich habe nun eine hübsche Eigentumswohnung, der Kaufpreis für das Haus war wirklich anständig, mit dem Rest des Geldes kann ich sehr gut leben. Bleibt nur noch das Häuschen in der Eifel. Tja, es ist alt und schäbig, man müsste einiges investieren, um darin wohnen zu können. Und dann der Brunnen, schließlich hat man darin drei Leichen gefunden. Ja, denn nicht nur mein Mann lag unten. Da waren noch die beiden Skelette, eines männlich, eines weiblich, jedes mit einem
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