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Kräuterkunde

Kräuterkunde

Titel: Kräuterkunde
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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Magen/Darmbeschwerden, Übelkeit, Erbrechen
    2. leichte atriale Arrhythmien (in den Vorhöfen des Herzens)
    3. ventrikuläre Arrhythmien (Herzkammern schlagen unregelmäßig), akute Lebensgefahr!
    Andrew Weil fragte sich, warum er als Medizinstudent nie das erste der drei Stadien bei Patienten erlebt hatte. Es war ihm ein Rätsel, bis er später, als überzeugter Phytotherapeut, seine Patienten mit Digitalisblättern, statt mit dem synthetischen Reinstoff, behandelte. Wenn er ihnen zuviel verabreichte, bekamen sie immer Magenbeschwerden – ein sicheres Zeichen, daß die Dosis herabgesetzt werden mußte. Beim synthetischen Digitoxin wird das erste Stadium – ein wichtiges Warnzeichen – übersprungen. Der Arzt hat dadurch einen geringeren Sicherheitsspielraum. Weil schreibt: »Die
ganze Pflanze
hat bestimmte, eingebaute Sicherheitsmechanismen, die verlorengehen, wenn die kardiotonen (herzstärkenden) Elemente extrahiert und in ihrer reinen Form verwendet werden. Man kann das, wenn man will, die Weisheit der Natur nennen oder auch nicht; jedenfalls ist es eine empirisch erwiesene Tatsache.« (
Weil 1988:130
)
    Die Irrwege des reduktionistischen Paradigmas der Pharmaforschung lassen sich anhand der giftigen Fingerhutpflanze exemplarisch aufzeigen. Als Entdecker der Fingerhutdroge gilt Dr. William Withering (1741-1799). Als junger Arzt machte er einmal Urlaub in Schottland, wo ihn eine schwer wassersüchtige Frau um Hilfe bat. In der Überzeugung, daß sie nur noch einige Wochen zu leben hatte, verschrieb er ihr ein Placebo. Ein Jahr später, wieder im Urlaub, begegnete ihm dieselbe Frau. Sie war wieder gesund und munter. Sie hätte bei einer alten Kräuterhexe (
old hag
) Heilkräuter bekommen. Withering ließ die Kräuterfrau beobachten und entdeckte, daß sie zur Behandlung von Ödemen ein Bündel von über zwanzig verschiedenen Kräutern sammelte. Ganz im Geiste des Reduktionismus verwarf er alle Kräuter bis auf den Fingerhut, den er als »wirksam« (
activ
) anerkannte. 1785 brachte Withering seine Monographie über die entwässernde Wirkung des Fingerhuts heraus.
    Erst später wurde entdeckt, daß es sich bei dieser Wirkung um einen indirekten Effekt durch die Stärkung der Herzmuskelkraft handelt. Die alten Ärzte und Apotheker kannten die Waldpflanze nur als Brechmittel und als Bestandteil einer Wundsalbe; von der entwässernden und herzstärkenden Wirkung wußten sie nichts. Der alten Kräuterfrau als Vertreterinder verpönten und unterdrückten Kräutertradition waren diese Wirkungen jedoch geläufig. Interessant wäre es zu wissen, welche anderen synergystisch wirkenden Pflanzen mit zu dem Rezept gehörten.
    Digitalis ist ein forte-Mittel, das nur im äußersten Notfall benutzt werden sollte. Als die Reinstoffe Digitoxin und Digoxin isoliert wurden, wurde das »Digitalisieren« von Herzpatienten ebenso zur medizinischen Mode wie einst die Quecksilberbehandlung (
Calomel
) und später, in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts, die radioaktive Bestrahlungstherapie und die Penicillinspritze. Viele ältere Herzpatienten wurden regelrecht von ihren Ärzten vergiftet. Eine in den meisten Fällen vernünftigere Therapie wäre die rechtzeitige kurmäßige Behandlung mit mite-Mitteln, etwa Weißdorntee (
Crataegus
), Misteltropfen (
Viscum
) oder Knoblauchpräparaten. Bei schwereren Fällen würde man zu
media
-Therapeutika, etwa Maiglöckchen (
Convallaria
), übergehen.
Angst vor Heilkräutern
    Vor einigen Jahren gab ich an einem College in Wyoming Kurse zum Thema Heilkräuter. In einem Land, das sich ganz dem Fortschrittsglauben verschrieben hat, ist Pflanzenheilkunde schlicht »Indian Medicine«. Heilpflanzen gelten als primitive, minderwertige Mittel, die mit den sauber verpackten Pillen, Spritzen und Gerätschaften der modernen Medizin nicht mithalten können. Für die Teilnehmer bedurfte es schon eines Quentchens Mut, sich für einen solchen Kurs einzuschreiben. Bei vielen war die Enttäuschung über das »medical establishment« ausschlaggebend gewesen. Die Erfahrung ärztlicher Fehlbehandlung und iatrogener Komplikationen ließ sie mit der tabuisierten »Indian Medicine« liebäugeln. Ein »Spion« der AMA (American Medical Association) hatte sich auch einschreiben lassen, um zu sehen, ob es sich da nicht etwa um eine strafbare »unlicenced medical practice« handeln könne, um unerlaubtes Verschreiben von fragwürdigen Medikamenten. Es lag unter seiner Würde, die »Unkräuter«, die ich
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