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KR127 - Ich bluffte den Hafenboß

KR127 - Ich bluffte den Hafenboß

Titel: KR127 - Ich bluffte den Hafenboß
Autoren: Delfried Kaufmann
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einzelnen Arbeiter so umspringen können, wie sie wollen. Im Allgemeinen dürfte das zutreffen, aber die Situation bei der Hafengewerkschaft war durchaus eine besondere.
    Hier hatten sich Leute in die Gewerkschaftsleitung eingeschlichen, die nur verdienen wollten, und sie hatten einige sehr hübsche, aber höchst unanständige Methoden ausgeknobelt, um zu verdienen.
    Zunächst also richteten sie ein Terrorregiment auf. Sie organisierten eine Bande hochqualifizierter Totschläger, die jeden Arbeiter, der nicht nach der Pfeife des Boss’ tanzte, scheußlich in die Mache nahmen. Es fing gewöhnlich damit an, dass sie bei der morgendlichen Arbeitsverteilung übergangen wurden. Blieben sie renitent, so bezogen sie bei passender Gelegenheit eine furchtbare Tracht Prügel, und wollten sie dann noch zu einer Behörde laufen, so stieß ihnen ein tödlicher Unfall zu, zu dem die Gewerkschaftsleitung einen großen Kranz zu stiften pflegte. Kurz, sie erstickten jegliche Opposition, und damit räumten sie sich den Weg frei für das große Geschäft mit den Schiffsreedern.
    Von jedem Kahn, der an den Quais von New York anlegt, erhebt das Hafenamt eine Liegegebühr, die sich nach den Bruttoregistertonnen und nach den Liegezeiten richtet und saftig genug ist. Die Schiffseigner haben also größtes Interesse daran, ihre Kähne so schnell wie möglich zu ent- oder beladen.
    Sicherlich finden Sie, das FBI, die Regierung oder das Hafenamt hätten sich schon längst um das korrupte System im Hafen kümmern sollen, aber es gibt einen alten Satz, und der galt auch für diesen Fall: »Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.«
    Wer Anklage gegen die Gewerkschaft erhob, wer bereit war, als Zeuge gegen sie aufzutreten, konnte sich ebenso gut aus dem fünfzehnten Stock stürzen. Einige Leute hatten es versucht, und es war ihnen nicht bekommen. Einem dieser Leute war eine Kiste auf den Kopf gefallen, als das Kranseil riss, einer war von einem Lastwagen überfahren worden, und der dritte geriet zwischen eine Hauswand und eine rangierende Zugmaschine. Alles Unglücksfälle, aber uns war zu Ohren gekommen, dass diese Unglücksfälle Leuten zustießen, die sich gegen die Herrschaft der Gewerkschaftsleitung aufgelehnt hatten, und darum war ich Mitglied eben dieser Gewerkschaft geworden, und meine Aufgabe war, Material und Zeugen gegen die Verbrecher zu sammeln.
    ***
    Ich habe mir manche Nacht um die Ohren gehauen. Das bringt der Beruf so mit sich, aber wenn ich einmal im Bett liege, stehe ich ungern auf. Die Arbeitsverteilung findet um fünf Uhr morgens vor dem Gewerkschaftsbüro zwischen den beiden Silos statt, und ich musste um vier Uhr aus den Federn, eine Tat, die allein eine Gehaltserhöhung wert war.
    Ich hatte mich für die erste Zeit in einem Boarding-Haus eingemietet.
    Der Laden lag noch im Hafenbezirk, allerdings musste ich mit der Fähre zum Europaquai übersetzen. Der Fährschaffner hatte einige Mühe mit dem Wechselgeld. Kein Wunder, denn er war erst seit gestern im Dienst. Ich gab ihm großzügig fünf Cents Trinkgeld. Er grinste, denn im Allgemeinen sind Trinkgelder zwischen Freunden nicht üblich, und er war verdammt mein Freund und hieß Phil Decker.
    In dem trüben Licht der Morgenfrühe stand eine große Gruppe von Männern um das Holzhaus, vielleicht fünfzig, vielleicht einige mehr. Ich sah einige Neger darunter, aber in der Hauptsache waren es Weiße. Ich drängte mich zwischen sie. Zwei oder drei Gesichter schienen mir bekannt. Sie gehörten den Männern, die auch gestern hier herumgelungert hatten.
    Das waren also die Gewerkschaftsmitglieder, die im Augenblick keine Arbeit hatten.
    Ich kam in der dritten oder vierten Reihe neben einem dünnen, krummrückigen Mann zu stehen, der einen verschlissenen, ehemals aber totschicke Ulster und eine Kappe mit heruntergeschlagenen Ohrenschützern trug.
    »Neu?«, fragte er und rieb sich die fröstelnden Hände.
    Ich nickte und nannte meinen Namen. Er hieß Softy Muck. »Gut, gut, mein Junge«, sagte er mit einer Blechstimme. »Guter Verdienst hier, aber schwere Arbeit, sehr schwere Arbeit.«
    Ein vierschrötiger, dunkler Mann in einer Lederjacke, der neben ihm stand, sah ihn verächtlich an. »Warum beschwerst du dich über die Arbeit?«, brummte er. »Lugger macht dich doch immer zum Zähler.«
    Der dünne Softy Muck fuhr herum wie eine gereizte Katze. »Trux sieht eben ein, dass ich die Kisten nicht mehr wuchten kann. Er ist gerecht. Und er weiß, dass ich mich nie verzähle wie du
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