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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman
Autoren: Susan Fraser
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Foto von deinem Großvater.«
    Sie hatte das Thema gewechselt. Ich sah meinen Großvater auf dem Kopf, einen Mann mit dunklem Haar, der in seinem weißen Hemd mit Schlips ernst wirkte. Ich griff nach dem Foto. Aber Grandma hielt es fest. Mit dem Finger beschrieb sie einen Kreis über seinem Gesicht, ganz in Erinnerungen an ihn versunken. »Grandma?«
    »Er hat mich besucht, nicht lange nachdem ich es rausgekriegt und ihn mit dem Baby verlassen hatte - mit Elsie.«
    Davon wusste ich nichts. So weit war meine Großmutter nie in ihre Geschichte eingetaucht. »er wollte, dass du zurückkommst?«
    Sie nickte, sah auf und blickte aus dem Küchenfenster. »Er ist gekommen, um sich zu entschuldigen. ›Es tut mir so leid, Nelly, bitte verzeih mir. Willst du nicht wieder nach Hause kommen?‹« Mit einem Kopfschütteln brach sie ab, offenbar besann sie sich auf seine Worte, auf den genauen Wortlaut. »Und ich -«
    Nun sah ich den Schmerz in ihren Augen, als wäre es erst gestern passiert. Das war ein Schock für mich. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass Grandma einfach zu ihrem nächsten Mann weitergezogen war, zu ihrem Zweiten, dann zum Dritten, zum Vierten - vorwärts und aufwärts, ohne Bedauern, ohne einen Blick zurück.
    »Und was hast du zu ihm gesagt?«
    Sie lehnte sich zurück. »Dass er wieder gehen soll.«
    Ich warf einen Blick auf dieses einsame, falsch herumliegende Foto eines Mannes, den ich nicht gekannt hatte.
    »Geh nach Hause, Nathan! Wir brauchen dich nicht.«
    Etwas an ihren Worten, an ihrem Tonfall, machte mich unruhig. Und dann sah ich es auch in ihren Augen, in ihrem Gesicht - ein Flackern, zum ersten Mal ... Ich hatte es vorher noch nie bemerkt.
    Meine Mutter.
    »Da hat er es mir gesagt ... aber ich war zu stolz. Ich habe ihn nicht angehört. Ich habe ihn nicht mal ins Haus gelassen.«
    Ja. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her. »Was hat er zu dir gesagt?«
    Sie schaute zu mir herüber und lächelte. Ihre Augen waren glasig, und mit den Fingern zog sie immer noch Kreise. »Es war das Netteste, was ich jemals von einem Mann gehört habe - in meinem ganzen Leben. Ich war gerade dabei, die Tür zu schließen ...«
    Ich nickte.
    »Ich weiß noch, wie er die Hand hob, um mich aufzuhalten. Seine Hand lag auf der Tür, und da hat er es gesagt: ›Nelly, verzeih mir! Ich habe nicht gewusst, was ich an dir hatte.‹«
    Wenn meine Mutter da gewesen wäre, hätte sie gesagt: »Mummy, das hast du uns doch schon mal erzählt.« Aber das wäre ein Irrtum gewesen. Diese Geschichte war anders. So hatte Grandma sie mir beim ersten Mal nicht erzählt, damals, als ich noch ein Mädchen war und ihr beim Kartenspiel gegenübersaß. Damals hatte sie mir erzählt, sie habe ihn verlassen, »weil er nicht wusste, was er an mir hatte«. Wie sie das sagte, hatte ich immer angenommen, das seien ihre eigenen Worte gewesen, das sei ihr Grund gewesen, ihn zu verlassen - ihre raison d'être, der Kernpunkt ihrer Stärke.
    Aber das stimmte überhaupt nicht. Es war vielmehr so, dass sie ihm nicht hatte vergeben können.
    Mein Großvater hatte um Verzeihung gebeten, er hatte gesagt, er habe nicht gewusst, was er an ihr gehabt hatte. Aber sie wollte einfach nicht einlenken.
    Und trotzdem hatte sie ihn geliebt, mehr als alle anderen, all die Jahre.
 
    Erst als ich vom Tisch aufstand und das Köfferchen voller Fotos unter den Arm nahm, äußerte Grandma ihre letzte Bitte.
    »Fahrt irgendwohin, wo es schön ist, Annie, fahr mit deiner Mutter an einen ganz besonderen Ort ...«
    Jetzt, nach all den Jahren, verstehe ich, was sie damit gemeint hat. Sie hatte mir die Fotos anvertraut und mir aufgetragen, ich solle den ersten Schritt auf meine Mutter zu machen. Die Fotos, ihre Asche - alles nur Vorwände.
    Sie wollte, dass wir Freundinnen werden. Allein das war ihr letzter Wunsch. Und es lag an mir, ihn zu erfüllen.

49
 
    I ch bewahre die Prophezeiung in meiner Brieftasche auf, unter den Kreditkarten, so wie früher, für immer - als Andenken an unsere Freundschaft, nach wie vor. Als andenken an Beattie.
    »Schneid dir nicht ins eigene Fleisch!«, habe ich früher immer zu Charlie gesagt. »Man muss vergeben und vergessen können.«
    Sie war meine beste Freundin.
    Aber es ist schwer. Natürlich ist Carlo inzwischen nur noch eine Erinnerung, ein schöner Mann, der mich im Sturm erobert und mich mit nach Italien genommen hat. Als Liebhaber bedeutet er mir jedoch nichts mehr. Und außerdem hat er von Anfang an ihr gehört. Sie hatte sich
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