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Kosmologie für Fußgänger

Kosmologie für Fußgänger

Titel: Kosmologie für Fußgänger
Autoren: H Lesch
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genau in der Mitte. Er liegt etwa zwei bis vier Kilometer über den tieferen Teilen des Erdbodens, an seiner Nordspitze erhebt sich die Insel Island aus dem Nordmeer. Woher kommen die mehr oder weniger durchgehenden Gebirge, die sich wie ein großer Reißverschluss durch die Meeresbecken um den ganzen Globus ziehen? Nun sind Gebirge ja ziemlich ruhige Gebilde, die kaum Bewegungsmuster erkennen lassen. Deshalb war eine ganz andere Entdeckung nötig, um dem Ursprung dieser Auffaltungen und damit sogar der Quelle der Dynamik des ganzen Planeten auf die Spur zu kommen. Es handelte sich um die magnetischen Eigenschaften des Meeresbodens.
    Genaue Ausmessungen des Magnetfeldes links und rechts von den ozeanischen Gebirgsrücken ergaben ein auffallend symmetrisches Muster von magnetischen Streifen entgegengesetzter Richtung. Offenbar hatte sich das Erdmagnetfeld mehrfach umgepolt: so als ob sich ein Stabmagnet gedreht hätte. Und dieses Ergebnis war überall entlang des ozeanischen Rückensystems zu finden. Wie das?
    Nun, kühlen geschmolzene Gesteine aus ihrem heißen Zustand ab, so werden die eisenhaltigen Minerale durch das Erdfeld magnetisiert. Diesen magnetischen Zustand speichern sie für immer. Auf dem Meeresboden finden sich also magnetische Fossilien, die etwas über die Ausrichtung und Stärke des Erdmagnetfeldes zu der Zeit aussagen, zu der die Gesteine an die Oberfläche gelangten. Das Streifenmuster am ozeanischen Rücken zeigte Folgendes: Je näher die Gesteine am Gebirgsrücken lagen, desto stärker sind sie in Richtung des heutigen Magnetfeldes magnetisiert. Diese Gesteine wechseln mit zunehmendem Abstand von den Meeresgebirgen aber mit Streifen ab, die genau in die entgegengesetzte Richtung magnetisiert sind. Ähnliches ergab sich auch für Kontinentalgesteine: Dort verliefen große Basaltströme, die ebenfalls entgegengesetzte magnetische Ausrichtungen besaßen.
    Und was hat das nun alles mit Wegeners Theorie, der Kontinentalverschiebung, zu tun? Sehr viel! Denn diese Entdeckungen ließen sich wunderbar mit der Wegener’schen Hypothese erklären: Der Meeresboden weitet sich. Neue Kruste bildet sich am Meeresgrund, und zwar genau an den mittelozeanischen Rücken. Dort dringt Lava nach oben, diese breitet sich aus und behält die Magnetfeldrichtung ihres Ursprungs. Der ganze Meeresgrund erweist sich als ein einziges Museum, in dem alles ausgestellt ist, was der Erdwissenschaftler braucht. Die magnetischen Streifen sind wie Uhren, die die Zeit seit ihrer Entstehung messen. Die Geschwindigkeit, mit der der Meeresboden wächst, kennt man, also lässt sich das Alter der Streifen aus ihrer Entfernung zum Gebirgsrücken berechnen.
    In der Regel wächst der Meeresboden um mehrere Zentimeter pro Jahr (also in etwa mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der die Fingernägel wachsen). Die Kontinente auf beiden Seiten des mittelozeanischen Rückens bewegen sich mit dieser Geschwindigkeit voneinander fort. Deshalb ersticken die Ozeane auch nicht unter den Sedimenten, sie sind geologisch jung, nur ungefähr 200 Millionen Jahre. Tatsächlich ist kein Ozean auf der Erde sehr viel älter. Die Kontinente sind geradezu Großeltern mit ihren bis zu drei Milliarden Jahre alten Gesteinen.
    Da die längs der Gebirgsrücken sich bildende Kruste nicht zu einer Erweiterung der Erdoberfläche führen kann (weil ja ansonsten die Erde größer werden müsste), muss in dem Maße, wie neue Kruste entsteht, alte vernichtet werden. In den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts ging dann aus der Entdeckung der Meeresbodenspreizung und der Hypothese der Kontinentalverschiebung die neue Theorie der Plattentektonik hervor. Sie ist in ihrer Bedeutung für die Geowissenschaften zu vergleichen mit der Quantentheorie und Relativitätstheorie in der Physik.
    Jetzt gab es endlich ein Schema, auf dessen Grundlage sich die Vorgänge auf der Erde und in ihrer Geschichte verstehen ließen: Die äußere Erdschale, bestehend aus mehreren Platten, bewegt sich auf der zähplastischen Erdkruste. Längs der mittelozeanischen Rücken entfernen sich die Platten voneinander. Trifft eine ozeanische Platte auf eine kontinentale Platte, so schiebt sich der Rand der Kontinentalplatte auf die ozeanische Platte, die in die Tiefe abtaucht. Der Rand der Kontinentalplatte wird zu Gebirgen emporgewölbt, wie sich zum Beispiel am Himalaja erkennen lässt, der sich infolge des 75 Millionen Jahre langen Aufpralls der Indischen Platte auf die Eurasische Platte zu immerhin
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