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Korsar und Kavalier

Titel: Korsar und Kavalier
Autoren: Karen Hawkins
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nicht mehr als zwei Stunden am Stück geschlafen.
    Sie lehnte sich an den Fensterrahmen, zog die Vorhänge auf und sah nach draußen, die Ellbogen auf die Fensterbank gestützt. Die Sonne war bereits untergegangen, die Äste hoben sich in dunkler Silhouette von dem monderleuchteten Himmel ab.
    Fröstelnd schlang sie die Arme um sich, lehnte den Kopf an die Scheibe und starrte blicklos hinaus.
    Wie es Tristan wohl ging? Heute hätten die Treuhänder kommen sollen. Prudence hoffte, dass er sich auf seine Manieren besonnen und nicht vergessen hatte, wie er die einzelnen Vertreter ansprechen sollte, wie er sie in der Bibliothek zu begrüßen hatte - all die Dinge, die ihn in den Augen der ziemlich oberflächlichen Herren zum Gentleman machten.
    Den richtigen Tristan würden sie natürlich nicht zu Gesicht bekommen, den Mann, der sich um seine Männer sorgte, obwohl er sie dauernd anbellte. Den Mann, dessen Augen dunkel wurden vor Schmerz, wenn er von seiner Mutter sprach. Den Mann, der sie mit so viel Zärtlichkeit betrachtet hatte ...
    Unruhig bewegte sie sich. Was fiel ihr ein, schon wieder an Tristan zu denken? Das hat doch keine Zukunft, sagte sie sich elend. Er hatte sie nur aus Pflichtgefühl gebeten, ihn zu heiraten. Und schlimmer noch, wenn die Treuhänder ihre Verbindung entdeckt hätten, hätten sie ihm das Vermögen sicher verweigert.
    Sie seufzte und kuschelte sich tiefer in das Schultertuch. Weil sie keine Lampen entzündet hatte, war um sie alles dunkel und still, mit Ausnahme der vergoldeten Uhr, die auf dem Kaminsims tickte.
    Das silbrige Mondlicht erleuchtete den Garten unter ihr. Abwesend sah sie ein paar Pflanzen in der nächtlichen Brise schwanken. Unterdessen öffnete sich langsam das Gartentor ...
    Sie blinzelte. Die Erscheinung war noch da, eine einsame Figur im Umhang, die rückwärts durch das Gartentor kam und etwas an einem Strick hereinzerrte. Sie beugte sich vor und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und ... sie keuchte auf. Am Ende des Stricks hing ein Schaf!
    Prudence machte kehrt und nahm ihr Tageskleid vom Haken. Sie zog sich an und rannte aus dem Zimmer. Auf der Treppe begegnete sie Mrs. Fieldings.
    „Wohin wollen Sie denn?“, fragte die Haushälterin. Auf ihrem faltigen Gesicht breitete sich ein misstrauischer Ausdruck aus.
    „Im Garten ist jemand! “
    Die Haushälterin folgte ihr. „Ich habe gerade Ihren Mantel ausgebürstet. Er hängt auf dem Haken an der Tür.“ Prudence hatte den Fuß der Treppe erreicht. „Ich brauche keinen Mantel. Ich werde jetzt ein für alle Mal herausfinden, wer uns immer das Schaf in den Garten schafft! “
    „Der Weise hört auf das Zischen der Schlange!“
    „Ja, schon gut, aber diese Schlange trägt einen Umhang! “ Mrs. Fieldings schnaubte. „Ein Dieb würde doch nicht im Umhang kommen!“
    Prudence blieb an der Haustür stehen und nahm ihren Mantel vom Haken. „Die Schlange trägt nicht nur einen Umhang, der Umhang ist auch mit Pelz besetzt.“
    Das brachte Mrs. Fieldings zum Nachdenken. Sie warf Prudence einen vorsichtigen Blick zu. „Mit Pelz besetzt? Wirklich?“
    „Ich habe es nur kurz vom Schlafzimmerfenster aus gesehen, aber es sah aus, als wäre die Kapuze ...“ Prudence blickte auf die Haken an der Tür. Der Umhang ihrer Mutter fehlte. Der rote. Der mit dem Hermelinbesatz.
    Prudence wandte sich zu Mrs. Fieldings um, die ziemlich rot geworden war. „Wissen Sie etwas über diese Sache?“
    Die Haushälterin verschränkte die Arme vor der dürren Brust. „Ein kluger Mann behält seine Weisheit für sich, damit er sie nicht unterwegs verlöre.“
    Immer diese Sprüche. Prudence konnte jetzt keine Sprüche gebrauchen. „Dann werde ich es wohl selbst herausfinden müssen.“ Sie griff nach dem Türknauf, doch Mrs. Fieldings war schneller.
    Die Haushälterin baute sich vor der Tür auf und reckte das Kinn. „Also, Madam. Lieber sich zügeln, als dem Ungestüm die Zügel schießen zu lassen.“
    „Aus dem Weg.“
    „Des Zornigen Herz ...“
    „Mrs. Fieldings, sehen Sie meine Faust? Die in diesem Handschuh steckt?“
    Die Frau riss die Augen auf. „Drohen Sie mir etwa?“ Prudence beugte sich vor. „Ja.“
    Das schien die Haushälterin völlig zu verwirren. Während sie noch nach einer passenden Erwiderung suchte, hatte Prudence schon an ihr vorbeigegriffen und die Tür geöffnet. Klatschend prallte sie gegen Mrs. Fieldings Hinterteil. Die Haushälterin keuchte auf und ging rasch aus dem Weg. „Das ist doch der
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