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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd
Autoren: Florian Homm
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Welche Entscheidung wirst du treffen?
    Ich werde meine Herausforderungen meistern. Ich werde meinen Gefühlen vertrauen. Ich werde ein insgesamt positives Vermächtnis hinterlassen. Ich werde nicht länger mit den Leben und Karrieren anderer Gott, den Allmächtigen spielen.
    Ich war hundsmiserabel im Zeichenlesen. Als ich im Paradies lebte, wollte ich es unbedingt verlassen. Als ich in Caracas beinahe erschossen wurde, hätte ich aus dem Geschäft aussteigen sollen, anstatt meine Anstrengungen zu verdoppeln. Zu diesem Zeitpunkt war mein Humankapital jedoch in dem Maße gewachsen, wie mein Finanzkapital dramatisch abnahm. Meine Entscheidungen wurden innerhalb von vier Wochen nach dem Besuch der Verlorenen Stadt bestätigt. Dieses Mal hätte ein Blinder die Zeichen erkennen können. Mein potenzieller Partner für den Zigarettenschmugel war von vergeltungssüchtigen Polizisten in eine Falle gelockt worden und saß nun hinter Gittern, und das für ein kleines Vergehen, das er nicht einmal begangen hatte. Auch ein anderer Plan, den ich hier nicht ausführen will löste sich auf. Und es stellte sich heraus, dass der Typ, der mir angeboten hatte, eine Milliarde Dollar für ihn zu verwalten, nicht der Ruheständler war, für den er sich ausgegeben hatte. Er wurde von der amerikanischen Drogenpolizei DEA geschnappt und blickte nun mehr als 100 Jahren Gefängnis entgegen. Daraufhin beschloss er zu reden, verriet mehrere Dutzend Ganoven und wurde ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Der ehemalige, sich im angeblich im Ruhestand befindliche Narco Zar, starb einige Monate später während einer Routineoperation.
    Gott traf die Entscheidungen für mich. Mein Sohn Conrad, den wir nach dem Schriftsteller Joseph Conrad benannt hatten, hatte mir über meinen spanischen Anwalt einen kleinen Aufsatz zukommen lassen, und Isabella hatte ein kleines Porträt und ein Gedicht dazugelegt. Ich war unendlich dankbar. Endlich lichtete sich der Nebel. Das war der Moment, in dem ich endlich ohne jeden Zweifel wusste, wohin ich zielte. Und das schrieb mein Sohn:
    Big Fella
    Der Riese streift in der Nachmittagshitze durch die spanischen Straßen – mit großspurigem Gang, die Brust aufgebläht wie ein Pfau, und Händen, die neben seinem Körper auf- und abschwingen. Gelegentlich schnippt er mit den Fingern zu keinem anderen Rhythmus als dem, der in seinem eigenen Kopf schlägt. Der heißblütige 47-Jährige zwinkert und lächelt kokett einer Frau zu und mustert sie wie der Chef eines Drogenkartells die Schönheitskönigin von Kolumbien. Meine Mutter, die daran gewöhnt ist, schüttelt den Kopf und rollt mit den Augen, während Dad einen tiefen, nachdenklichen Zug von seiner kubanischen Zigarre nimmt.
    Er fährt sich mit seinen langen Fingern durch sein silbrig-blondes Haar. Florian lässt die öden, zementierten Bürgersteige der Innenstadt von Palma wie einen roten Teppich wirken. Ihm gehört die Straße und wir folgen drei Schritte hinter ihm wie Höflinge. Er schüttelt seinen linken Arm, an dem er eine auffällige Rolex trägt, hebt ihn schwerfällig an, als wolle er nach der Zeit sehen, und erntet dabei aufmerksame Blicke deutscher Touristen. Auf seiner Brust bilden sich kleine Tröpfchen. Er knöpft den obersten Knopf seines hauchdünnen, taillierten italienischen Seidenhemds auf und entblößt eine 25 cm lange Narbe. Er wendet sich zu unserem Gast, der Mühe hat, mit ihm Schritt zu halten. Der Besucher wirft einen neugierigen Blick auf die Brust meines Vaters. »Oh, diese kleine Wunde? Ich wurde in Venezuela angeschossen«, gefolgt von der Frage meiner Schwester, die sich verwirrt an mich wendet: »Stammt die nicht von einer Haiattacke in Südafrika?«
    Wir eilen in demselben gehetzten Schritt einige Straßenzüge weiter, wobei mein Vater außerordentlich großzügig zu den Bettlern ist, denen er 20-Euro-­Scheine zusteckt. Er fragt unseren Gast, wie viel er für wohltätige Zwecke gestiftet hat, und nennt ihm dann die irrsinnigen Summen, die er selber gespendet hat. Einmal gab er einem Pizzafahrer 1.000 Euro, weil er und seine Schwester kein Geld hatten, um ihre Mutter zu besuchen, die an Krebs im Endstadium litt.
    Er beschleunigt seinen Schritt und eilt uns voraus. »Ich halte dieses langsame Tempo nicht aus, Susan. Ich gehe und kaufe noch eine Zigarre und treffe euch dann im Restaurant«, sagt er und saust davon. Wir finden ihn im Restaurant, eingehüllt in eine dicke Rauchwolke, vor ihm ein Halbliterglas Cuba Libre. »Susan, kannst du
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