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Kopernikus 2

Kopernikus 2

Titel: Kopernikus 2
Autoren: H. J. Alpers
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scharfes, entscheidendes Klick! war zu vernehmen, als das zweite Paar Zusatzlinsen an seine Stelle fiel: ein exaktes, beinahe sprödes Geräusch, das eine entschieden ernüchternde Wirkung hatte … denn es brachte ihn wieder zu Sinnen und machte ihm bewußt, wie unerklärlich, wie absurd seine Heiterkeit Mr. Waters vorkommen mußte. Was hatte der alte Bursche von diesem plötzlichen Aufwallen gehobener Stimmung in ihm gedacht? Er hatte mit Augen und Händen getanzt, nicht wahr?
    Er hatte auch mit den Füßen getanzt, wenn auch auf der Stelle – das wußte er genau. Hände und Füße ruhten jetzt, und die hinter diesen Dreifachgläsern (die zusammen dicker waren als die, die im Film Dr. Cyclops getragen hatte) verborgenen Augen fragten den Alten „Was in aller Welt hast du dir gedacht?“ und erhielten ein rätselhaftes Lächeln zur Antwort; kein spöttisches Lächeln, das nicht, aber es hatte etwas an sich, was der junge Mann nicht ganz zu benennen wußte. Er wußte lediglich, daß es sich um ein trauriges und lustiges Lächeln handelte, eine Art allgemeinen Kommentar, vermutete er, auf das Leben … etwas in der Art von „Ja, das Spielerische an Ihnen und Ihre Liebe zur Phantastik rühren mich – keinen mehr als mich, der weiß, wie ernst das Leben sein kann“, so etwa. Er hatte natürlich recht. Das Leben war eine ernste Sache. Wie auch anders? Denn die Welt – und er blickte neuerlich auf die Straße hinaus –, denn die Welt war nicht nur ein Spielplatz, sie war auch ein Schlachtfeld.
    Diesmal blickte er über die engen Straßen zur ganzen palmenübersäten Stadt hin. Schaute vielleicht noch weiter. Er bildete sich beinahe ein, wie er durch diese Dreifachbrille teleskopisch in mittlere und fernste Fernen blickte, so daß er schließlich den ganzen Anblick des Kontinents vor sich hatte, er hier und da einen Blick auf seine mannigfaltige, nie zur Ruhe kommende Geschäftigkeit tun durfte. Es war ihm, als könnte er sehen, wie Männer die Wälder fällten, das Land bebauten, sich in die Erde hineingruben; wie Flugzeuge über den Himmel nach New York und Chikago zogen, Züge die Prärien zerteilten, die Ozeane von Schiffen durchkämmt wurden: das ganze Panorama einer emsig tätigen Welt. Und gleichzeitig drangen durch die offenen Fenster in der Ecke verschiedene örtliche Störgeräusche an sein Ohr, die sich zwanglos mit jener visionären Montage verbanden: das Stottern, Schnurren und Heulen von Automotoren, das Hupen der Autos, das aufgeregte Geschrei des Zeitungsjungen an der Ecke zwischen Sechster Straße und Bixel Street, das Rattern der Straßenbahn auf ihrem Eisenweg hinab in die Unterstadt … und hinter sich, in den Tiefen des Hauses, hörte er den unsichtbaren Pianisten einen Marsch von John Philip Sousa spielen.
    Er verspürte eine plötzliche Aufwallung von Selbstvertrauen, ein angenehmes Gefühl von Sinn, wie unbestimmt auch immer, eine Bereitschaft zur Arbeit und zum Kämpfen, eine latente Energie, wie sie die frisch dem Kokon entschlüpfte Libelle spüren mußte. Er stand auf den Zehenspitzen da, nicht um zu tanzen, sondern aus lauter Eifer, nach vorn zu drängen und den Kampf aufzunehmen mit … was auch immer es dort geben mochte, egal was. Dort draußen wartete eine Welt auf ihn, eine Welt, wo man sich Herausforderungen stellen mußte, wo es Probleme zu lösen galt, und er fühlte sich allem gewachsen … oder zumindest bereit, sich auf die Probe stellen zu lassen. Ad astra per aspera. Zu den Sternen durch harte Arbeit. Natürlich. Wie sonst konnte man sie erreichen? Der Traum war notwendig, die Arbeit aber auch. Arbeit ohne Traum war bloße Plackerei, ein Traum ohne Arbeit jedoch war … was? … eine müßige Erfindung, ein phantastischer Einfall, ein …
    Er sank auf die Fersen zurück, zog seine gewappnete Vision von der Welt ab. Die Augen schlug er mit einer Abwärtsbewegung skeptischer Vorahnung zu den auf dem Bett liegenden Magazinen nieder, deren Titelbilder ihn vor kurzem noch so begeistert hatten. Als er sie jetzt ernsthaft betrachtete, fiel ihm auf, daß sich die Künstler zu oft, aus grundsätzlichen Erwägungen, mit den gröbsten Wirkungen begnügt hatten, und daß es auch Fehler in den Einzelheiten gab, die vermutlich mit den höchsten Maßstäben unvereinbar waren. Boks Stil „leitete sich“ nicht von Maxfield Parrish ab – er war eine Nachahmung. Und bei der Übernahme war es zu einer Vergröberung gekommen. Finlays strahlend schöne Männer und nackte Frauen, die so frivol
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