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Kopernikus 2

Kopernikus 2

Titel: Kopernikus 2
Autoren: H. J. Alpers
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erhielten. O ja, er wußte alles darüber. Er hatte ein paar dieser Männer in dem SF-Klub über der Straße getroffen, bei dem er Mitglied war: Männer, die bei den Zusammenkünften zerknitterte Anzüge trugen und nachher mit der Straßenbahn heimfuhren; Männer, die nicht nur Science-fiction und Fantasy, sondern auch Western, Liebesgeschichten, Sport- und Kriminalstories schrieben, selbst „wahre“ Begebenheiten, und denen die Science-fiction oft nicht mehr bedeutete (wie er einige Male zu seinem Entsetzen festgestellt hatte) als das andere Zeugs. Männer, die einander lächelnd ansahen, wenn er seiner Begeisterung, vielleicht ein bißchen zu überschäumend, für ihre Erzählungen Ausdruck gab. Nun … ja, sie mußten es schließlich wissen, was ihre Geschichten wert waren: sie waren ja in der Küche dabei, wenn ihre Werke gargekocht wurden. Wenn sie die Science-fiction nicht für etwas Besonderes hielten, warum sollte er es dann tun? Warum zum Teufel, hatte er sie je für etwas Besonderes gehalten? Aber er kannte die Antwort auf diese Frage. Das war deswegen der Fall, weil er diese Sehnsucht nach dem Phantastischen, nach einer billigen Flucht, welcher Art auch immer, aus der Wirklichkeit hatte. Er erkannte jetzt, daß das von Jugend auf eine seiner Schwächen gewesen war. Wenn er mehr an praktischen Dingen als am Lesen und Tagträumen interessiert gewesen wäre, müßte er jetzt nicht in solch einem Loch wohnen. Wieso war er nur so blind gewesen? Er schüttelte bedauernd den Kopf … und dabei wurde er sich des Gewichts dieser blöden Rube-Goldberg-Vorrichtung auf der Nase bewußt. Diese verdammten Brillen! Was hatte dieser verfallende und schwachsinnige Alte erklärt? „Sie befähigen einen, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.“ Haha! Der alte Kerl hatte in gewissem Sinne recht damit gehabt, nicht wahr? Na ja …
    Er griff hinauf, um die Brille abzunehmen und berührte dabei das Gestell; er hörte ein Klick! und zuckte zusammen, als ein Paar anderer Linsen in Position kam – das heißt, vor dem feststehenden Paar herabfiel. Er lachte, weil er zusammengezuckt war, und schaute entschuldigend zum Alten hin … der wie immer vor guter Laune strahlte. Schon möglich, daß er etwas heruntergekommen wirkte, aber er war eine brave alte Seele, nicht wahr? Und er schien sich des Lebens zu freuen. Mehr als das – er strahlte ganz entschieden Lebensfreude aus. Vielleicht fürchtete er sich nicht vor dem Tod, sondern dieser war ihm bloß gleichgültig? Vielleicht hatte er auf allen Ehrgeiz und alle Bemühungen verzichtet und sich in die Lebensumstände gefügt, in den reinen Genuß seiner … wie hieß es bloß? … ach ja: seiner goldenen Jahre. Das war es. Ihm gefiel der alte Kerl wirklich. Er hatte immer gern mit ihm geplaudert, denn er steckte voller Anekdoten und ausgefallener Informationen. Er hatte nicht nur länger gelebt als die meisten, sondern auch abenteuerlicher. In den zehner Jahren war er Regisseur von zwei Filmspulen langen Komödien gewesen; in den zwanziger Jahren war er in einem alten Doppeldecker durch die Lande gezogen; er hatte mit W.C. Fields Bier getrunken und, Jahrzehnte vorher, hatte er Lillian Russel auf einer Gartenparty getroffen, die hinter diesem Haus abgehalten wurde, als es noch ein stattlicher Familiensitz war.
    Ziemlich erleichtert über diese frische Erkenntnis vom Wohlbefinden des Alten, blickte sich der Jüngere erneut im Zimmer um und bemerkte, genau gesagt nicht zum ersten Mal, aber lebhafter als seit langem, um welch höchst angenehmes Zimmer es sich handelte. Es war ein Eckzimmer mit vier Fenstern. Drei davon befanden sich in einem halbkreisförmigen Erker zu seiner Rechten und ähnelten, das hatte er schon oft bei sich gedacht, den Heckfenstern einer Brigantine; sie standen weit offen, und ihre Spitzenvorhänge bauschten sich in dem Lüftchen anmutig nach innen. Das vierte Fenster war groß, befand sich unmittelbar über dem Bett und lag nach Westen. Durch dieses Fenster strömte das starke, aber gedämpfte Licht der Vier-Uhr-Sonne, so daß der ganze Raum von Sonnenschein erfüllt war, und als er sich umblickte, wallte in ihm als Antwort ein ähnlicher Schein auf. Mochte der Raum auch ein wenig schmutzig sein – was tat’s? Er konnte ihn putzen. Er bemerkte einige Dinge, die ihm bei der vorigen Bestandsaufnahme entgangen waren: den Efeukranz, den ein früherer Mieter, ein Künstler, als Ausgleich in den Ecken der Deckennischen gemalt hatte, als er die Miete nicht
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