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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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Konsum ist nach Adorno (1977)
     nicht mehr als ein »dümmlicher Versuch der Selbsttröstung« und eine »Ersatzbefriedigung«.
    Mit diesen deutlichen Worten werden die Vertreter der Frankfurter Schule zugleich zu Exponenten einer linken Konsumkritik,
     die schon bei Karl Marx’ heute oft missverstandenem Begriff des »Warenfetischismus« beginnt und über Herbert Marcuse bis hin
     zu den Ausführungen zur Konsumkritik von Wolfgang Fritz Haug (1971) führt. Nach Haug sind in modernen Gesellschaften mehr
     und mehr Dinge des Alltags durch die Entfremdung gegenüber dem Benutzer und ihrer zunehmenden Warenförmigkeit gekennzeichnet.
     Die Eigenschaft der alltäglichen Konsumgüter, eine »Ware« zu sein, ist der alles beherrschende Rahmen, in dem die Abstumpfung
     mehr und mehr um sich greift. Durch die zunehmende Dominanz der Warenform »werden Menschen von klein auf trainiert, nicht
     die Dinge selbst wahrzunehmen, sondern nur noch deren Tauschwert«. Der Verfall der ästhetischen Kompetenz und »Herrschaft
     der Warenförmigkeit« führen zur Abstraktion von jeder differenzierten ästhetischen Wahrnehmung oder gar zu ihrer Brechung.
     Übrig bleibt nach Haug eine »Warenästhetik«, deren ökonomische Techniken – damit meint er vor allem die Werbung – über die
     sinnliche Welt wie eine Naturkatastrophe hinwegfegen. Das Diktat des Konsums ist der Grund dafür, dass den Menschen die Beziehung
     zur Materialität der Alltagsdinge verloren geht. Nur noch die Oberfläche, die Verpackung spielt eine Rolle. Die Möglichkeit
     einer direkten Auseinandersetzung mit dem Ding als solchen ist nicht mehr gegeben. Werbung stellt in dieser Hinsicht einen
     doppelten Betrug dar: Weil sie einerseits Bilder der Dinge suggeriert, die sich im tatsächlichen Gebrauch kaum erfüllen lassen,
     und weil andererseits der von der Werbung versprochene Statusgewinn in der Regel nicht erreichbar ist. Nach Haug (1997) ist
     insbesondere die Werbung in den elektronischen Medien für diesen doppelten Betrug verantwortlich.
    In den letzten dreißig Jahren wurde die Konsumkritik auch durch die zunehmende Sensibilität für Umweltprobleme gestützt. So
     beklagt Gerhard |24| Scherhorn (1997) den Verlust des Bewusstseins »für das Ganze der Güter«. Menschen konsumieren, ohne sich über die damit verbundenen
     ökologischen Probleme der Abfallberge und der Problematik der Stoffkreisläufe bewusst zu sein. Scherhorn fordert deshalb eine
     Erziehung zu einer neuen Sinnstruktur, die nachhaltig produzierten und nutzbaren Dingen einen herausgehobenen Wert zuordnet.
     Nur die Wiedergewinnung einer solchen Sinnstruktur und ein »reflektierter Konsum« bieten demnach der modernen Gesellschaft
     eine Überlebenschance.
    Konsumkritik ist jedoch nicht nur ein Anliegen linker Denker, sondern wird auch von konservativen Autoren geäußert. Diese
     beklagen insbesondere den Verlust einer Ordnung, die Konsummuster bestimmten sozialen Schichten zuweist. Damit werde der Auflösung
     der Gesellschaft insgesamt Vorschub geleistet. Als Beispiele wären hier Hans Freyer und Hannah Arendt zu nennen. Für letztere
     ist es die »Störung des Gleichgewichts von Konsum und Verzehr«, die den zunehmenden Konsum so bedrohlich erscheinen lässt.
    Konsumkritik aus der einen oder anderen Richtung hat eine lange Tradition. Schon im Jahre 1904 publizierte Wilhelm Bode ein
     Pamphlet mit dem Titel »Die Macht des Konsumenten«. Dieses frühe Dokument ermahnt, dem Konsum nur in Maßen zu frönen und aus
     der Verantwortung für die Qualität der Waren heraus nicht den billigeren, industriell gefertigten Massenerzeugnissen den Vorzug
     zu geben.
    Aber: Die Mühe der Kritiker war vergeblich. Aus heutiger Sicht wird deutlich, dass die Konsumkritik von Bode über Haug bis
     hin zu Scherhorn eigentlich wirkungslos geblieben ist. Wie Daniel Miller in einem Überblicksartikel zur Konsumkritik hervorhebt,
     ist das 20. Jahrhundert eine Epoche der dramatischen Konsumexpansion, die offensichtlich durch die Konsumkritik nicht wesentlich
     beeinträchtigt wurde. Die Gründe für ihre überraschende Wirkungslosigkeit sind demnach in der Kritik selbst zu finden. Die
     »Armut der Konsumkritik«, von der Miller spricht, begründet sich im Mangel an Kenntnis des Gegenstands bei den jeweiligen
     Autoren. Die Philosophen und Sozialwissenschaftler nehmen in der Regel einen normativen Standpunkt ein und verbinden verkürzende
     Beschreibungen mit Werturteilen. So lange die Konsumkritiker sich
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