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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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nicht der Mühe unterziehen, Konsum ernst zu nehmen, ihn
     genauer zu untersuchen, und seine Merkmale besser zu verstehen, können ihre Einwände gegen die herrschende Praxis keine Relevanz
     beanspruchen.
    |25| Häufig stützen sich ihre Thesen auf rhetorische Figuren, die einen gegenwärtigen, negativ empfundenen Zustand mit einem fiktiven
     früheren Umgang vergleichen, wobei dieser fiktive, frühere Umgang noch nicht oder nur wenig vom Konsum dominiert gewesen sein
     soll. Dieser ferne Horizont kann zeitlich zurückliegen, er kann aber auch räumlich in weiter Ferne liegen. In jedem Fall dient
     er als »Kontrastfolie«, die auf scheinbare Missstände des Hier und Jetzt verweist. An die Stelle der Kenntnis des Konsums
     tritt also in der Konsumkritik eine rhetorische Figur, die letztlich nur eine geringe Aussagekraft für den Konsum hat. Wissen
     aber Ethnologen wirklich mehr über den Konsum als die Konsumkritiker? Welchen Stellenwert nimmt das Thema Konsum in einer
     aktuellen Ethnographie des Alltags ein?
    Kulturwissenschaftliche Annäherungen an Konsumforschung
    In der Konsumkritik bleibt der Konsum ein unterschätztes Phänomen; er wurde von den verschiedenen Autoren kritisch oder gar
     mit Spott beschrieben, um dann, vollkommen unberührt von dieser Kritik, seinen Siegeszug fortzusetzen. Im Folgenden soll neben
     diese Perspektive eine andere treten, in der Konsum ein überschätztes Phänomen darstellt. Konsum wurde nämlich vielfach auch
     als Indikator für die Konstitution von Gesellschaften und deren Wandel verwendet. Er wurde in diesen großen und weithin anerkannten
     Theorien zugleich instrumentalisiert als Ausdruck oder Grund beobachteter Kulturphänomene.
    An erster Stelle ist hier eine Tradition der Interpretation zu nennen, die von Thorstein Veblen über Roland Barthes und Pierre
     Bourdieu bis hin zu Mary Douglas reicht. Veblen, der in seiner viel zitierten »Theorie der feinen Leute« aus dem Jahr 1899
     den Begriff des »demonstrativen Konsums« prägte, sah in den unaufhörlich entstehenden neuen Konsumformen das Grundübel der
     Gesellschaft seiner Zeit. An der Schwelle der Formierung der Konsumgesellschaft stehend, verstand er den »demonstrativen Konsum«
     als eine soziale (Fehl-)Entwicklung und könnte damit mit gutem Recht als Konsumkritiker gelten. Aber Veblen ging einen Schritt
     weiter und beschrieb, wie Unterschiede in den Konsummustern soziale Strukturen abbilden. Er schildert, wie Individuen in ihrem
     gesellschaftlichen Umfeld |26| bestimmte Konsumformen einsetzen, um so soziales Ansehen, Prestige, zu erlangen.
    Konsum ist in dieser Theorie höchst bedeutungsvoll. Im Moment des Konsums und durch den Besitz der Güter kommuniziert der
     Besitzer seinen Status, sowohl in ökonomischer Hinsicht als auch im Hinblick auf den Anspruch, einer Schicht oder Gruppe anzugehören.
     Einen ganz ähnlichen Gedanken hat Roland Barthes in seinen »Mythen des Alltags« aus dem Jahr 1957 ausgeführt. In dieser Sammlung
     kurzer Essays erscheinen einzelne Konsumobjekte als Grundlage für die Erzeugung immer neuer Geschichten, die wechselweise
     Eigenschaften der Dinge und Qualitäten ihrer Besitzer beschreiben. Objekte werden in der Perspektive von Barthes zu Medien
     der Kommunikation. Sie sind Teil eines Codes, der Texte, Bilder und nicht zuletzt Objekte umfasst. Erst in einer unendlichen
     Kette von Verweisen und Assoziationen (Denotationen und Konnotationen) werden aus Konsumobjekten moderne Mythen, deren Macht
     weit über den konkreten Konsum hinausgeht. Ein viel beachtetes Beispiel ist der kurze Essay von Barthes über den Citroen DS;
     der
Déesse
, die zugleich »Göttin« und Gangsterauto war. Die Aufladung mit Bedeutungen ist bei diesem Gegenstand so signifikant, dass
     dieses Auto zu einem klassischen Filmobjekt werden konnte (vgl. Althen 2005).
    Schließlich kommt Mary Douglas der Verdienst zu, diese Perspektive systematisiert und daraus eine »Anthropologische Theorie
     des Konsums« geformt zu haben, wie es im Untertitel des Werkes »The World of Goods« aus dem Jahr 1978 heißt. Im Unterschied
     zu Barthes fordert Douglas ein empirisches Vorgehen, in dem die Sättigung oder auch die Frequenz ausgewählter Konsumgüter
     in Haushalten einer bestimmten sozialen Schicht zu untersuchen seien. Demzufolge informiere das systematische Auftreten von
     einzelnen Objekten, also ihr Konsum, über relevante Merkmale der Sozialstruktur einer Gesellschaft. Douglas ist so sehr von
     der
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