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Konigs-Schiessen

Konigs-Schiessen

Titel: Konigs-Schiessen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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»Sie wollen sicher zu meiner Schwiegermutter.« Toppe nickte.
    »Kommen Sie, Sie können gleich hier durchgehen. Sie ist oben, mein Mann ist bei ihr.«
    Sie führte sie zu einer Tür hinter der Theke, gleich neben dem Kaffeeregal, und schickte sie eine schmale, dunkle Stiege hinauf.
    Oben klopfte Toppe kurz an die Tür und trat dann ein. In der kleinen Diele kam ihnen Klaus Verhoeven entgegen. Er trug einen blauen Schlafanzug, an dessen Jacke nur der unterste Knopf geschlossen war. Er war ebenso blaß wie seine Frau.
    »Tag, Sie sind von der Kripo, nicht wahr? Entschuldigen Sie meinen Aufzug«, lächelte er dünn, »ich hatte mich ein bißchen hingelegt. Mußte ja um halb vier in der Backstube sein. Einen Augenblick..« Damit ließ er Toppe und Astrid in der Diele stehen.
    Hier war die Decke sehr niedrig; Toppe hatte beim Eintreten den Kopf einziehen müssen. Das Haus war alt, aber alles war blitzsauber, und der Kunststoffboden glänzte, als wäre er gebohnert worden.
    Der Bäcker hatte sich einen langen, dunkelroten Bademantel übergezogen und ließ sie vorausgehen ins Wohnzimmer.
    Mia Verhoeven saß, die Beine hochgelegt, eingepackt in eine Wolldecke, ein dickes Kopfkissen im Rücken, auf dem Sofa und wandte ihnen ihr verquollenes Gesicht zu.
    Sie war eine kleine, normalerweise sicherlich agile Frau mit runden Backen und einem breiten Mund. Überhaupt alles an ihr war rundlich; die fleischigen Oberarme und ein großer, schwerer Busen, der bis auf den Bauch hing, zeichneten sich unter ihrem schwarzen Pullover ab. Ihre graumelierten Haare hatte sie zu einem dünnen Zopf geflochten.
    »Sonst hat sie den Zopf bestimmt hochgesteckt«, dachte Toppe. Keiner konnte übersehen, daß die Frau völlig aus dem Gleis war. Sie knetete ununterbrochen ein nasses Taschentuch, während sie mühsam ein,Guten Tag’ über die Lippen brachte. Und als Toppe seine ersten vorsichtigen Fragen stellte, fing sie sofort an zu weinen und konnte vor lauter Schluchzen nicht antworten. »Ich kann’s einfach nicht glauben«, stammelte sie zwischen den Schluchzern und: »Verzeihung«.
    Astrid sah sich hilfesuchend nach Klaus Verhoeven um. »Sollen wir ihr nicht ein Glas Wasser holen?« Aber er winkte ab, hockte sich neben seine Mutter und nahm sie in den Arm. »Komm, Mama, wir müssen uns zusammenreißen. Der Herr Toppe möchte sich mit uns unterhalten. Paß auf, ich koch’ uns jetzt einen Kaffee, und du gehst mal eben ins Bad, und danach schaffen wir das schon.«
    Sie nickte und preßte sich das Taschentuch gegen den Mund. Dann erhob sie sich schwerfällig und ging hinaus.
    Das Zimmer war mit altmodischen Eichenmöbeln gemütlich eingerichtet, auf allen Tischchen standen frische Blumen, und eine Menge Fotos in goldenen und silbernen Rahmen hingen an den Wänden oder standen auf den Tischen und der Anrichte. Sie zeigten lauter fröhliche Kinder und lachende Erwachsene, Hochzeiten und Familienfeste. Neben dem Fenster hing ein Meisterbrief – Heinrich Verhoeven, ausgestellt im Jahre 1950.
    Der Kaffee beruhigte Mia Verhoeven ein wenig, und sie unterhielten sich lange miteinander.
    Heinrich Verhoeven war siebzig Jahre alt gewesen, als er starb. Er war hier in Keeken geboren, in wohlhabenden, bäuerlichen Verhältnissen aufgewachsen und hatte, bis auf die Kriegsjahre und die anschließende dreijährige Gefangenschaft, immer hier im Dorf gelebt. 1950 hatte er das Haus von seinem Erbteil gekauft und die Bäckerei eröffnet. Er hatte geheiratet und mit Mia drei Kinder bekommen, die alle in geordneten Verhältnissen lebten; ein Sohn hatte eine eigene Metzgerei in Tönisvorst, die Tochter war Hebamme in Paderborn, und der älteste Sohn Klaus war Bäcker geworden und hatte vor sieben Jahren das Geschäft übernommen. Die beiden alten Verhoevens waren seitdem aber nach wie vor aktiv und integriert gewesen, wie es schien. Mia hatte entweder im Laden geholfen oder sich um die beiden Enkelkinder, Christopher und Nadine, gekümmert, und Heinrich war täglich zwischen zehn und eins mit dem Lieferwagen in die umliegenden Dörfer gefahren, um Brot, Gebäck, Kaffee und Obst zu verkaufen. Es hatte ihm Spaß gemacht. Er war offensichtlich ein lebenslustiger, mit sich und der Welt zufriedener Mensch gewesen, der sich mit allen im Dorf gut verstanden hatte; war Mitglied gewesen im Schützenverein und im Kirchenchor und hatte seinen wöchentlichen Stammtisch gehabt. Bei keinem dieser Dinge hatte er sich durch besonderes Engagement hervorgetan, war eben nur gern dabei
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