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Komm mit mir, liebes Hausgespenst

Komm mit mir, liebes Hausgespenst

Titel: Komm mit mir, liebes Hausgespenst
Autoren: Marie Louise Fischer
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deinem sogenannten Amadeus aufhören und deine Phantastereien anfangen.“
    „Er ist kein sogenannter Amadeus“, protestierte Monika, „und Phantasie habe ich überhaupt nicht! Unsere Deutschlehrerin sagt..."
    Sie kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn Frau Stein fiel ihr ins Wort. „Jedenfalls finde ich den Gedanken, mit einem Gespenst an Bord auf eine Kreuzfahrt zu gehen, höchst unbehaglich.“
    „Aber Amadeus ist harmlos, wirklich“, versicherte Monika, „Sie brauchen keine Angst zu haben.“
    „Nun, vielleicht ergibt sich dabei für mich eine Gelegenheit, ihn zu bannen“, erklärte Herr Stein mit Würde.
    Monika bekam Angst um ihren Amadeus. „Darum hat Sie niemand gebeten.“
    „Es gibt Forderungen, denen man sich stellen... Gelegenheiten, bei denen man seine Pflicht tun muß, egal ob...“
    Herr Stein verstummte. Die Zigarette, die er in den Fingern gehalten hatte, war ihm, das Mundstück zuerst, in den Mund geflogen. Sein Feuerzeug erhob sich vom Tisch. Das Rädchen drehte sich, die Flamme sprang auf und setzte das Ende der Zigarette in Brand. Unwillkürlich zog Herr Stein heftig an der Zigarette.
    Das Feuerzeug setz.te sich wieder auf den Tisch zurück.
    Herr Stein nahm die brennende Zigarette aus dem Mund und starrte Monika an. „Was soll man dazu sagen?“
    „Vielleicht danke!“ schlug Norbert vor.
    „Ja, also dann... danke, liebes Hausgespenst“, sagte Herr Stein verwirrt.
    Norbert grinste. „So ist’s recht, Papa! Das wird Amadeus freuen.“
    „Ich finde“, sagte Monika, „daß es auf einem Schiff interessantere Dinge gibt, als die Passagiere hier im Constellation Room.“
    „Ganz bestimmt!“ pflichtete Ingrid ihr bei. „Warum hält er sich ausgerechnet hier bei uns auf?“
    „Du kannst die Frage auch umgekehrt stellen!“ sagte Norbert. „Warum halten wir uns ausgerechnet hier auf? Gitarrenmusik — gut und schön. Aber die Wassermann muß jeden Augenblick auslaufen.“
    „Au ja!“ Monika leerte ihr Glas. „Gehen wir auf die Brücke!“
    „Nein, bleibt lieber hier“, sagte Herr Stein mit Nachdruck, „auf der Kommandobrücke wärt ihr nur im Weg.“
    „Aber Simon hat gesagt, wir dürfen jederzeit rauf!“ widersprach Monika. „Und beim Ablegen und Anlegen wäre es am interessantesten.“
    „Ich bin auch der Meinung, ihr solltet hier bei uns bleiben und dann mit uns in den Speisesaal gehen“, sagte Frau Stein.
    „Nein!“ Monika sprang auf. „Wozu habe ich diese Reise gewonnen?! Doch nicht, damit ich irgendwo rumsitze, sondern damit ich was erlebe! Ich gehe rauf zur Brücke. Wer kommt mit?“
    „Natürlich ich“, erklärte Ingrid entschlossen und stand auf. „Ich auch!“ sagte Norbert und wandte sich an seine Eltern. „Entschuldigt mich, bitte... aber die Brücke ruft!“
    In guter Haltung verließen sie den Constellation Room, denn sie fühlten zahllose Blicke auf sich gerichtet. Erst als sie das Treppenhaus des Schiffes erreicht hatten, begannen sie zu rennen.

Vollkraft voraus

    Monika, Ingrid und Norbert liefen durch den Patio auf das Achterdeck hinaus. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um einen stämmigen Mann die Gangway hinaufkommen zu sehen - jene steile Trepe, die sie selber bei ihrer Einschiffung hinaufgeklettert waren. Der Mann war schwarzhäutig, hatte einen Stoppelbart und sah sehr verwegen aus. Keineswegs ließ er sich als Passagier der Wassermann einstufen.
    „Wer ist denn das?“ fragte Norbert.
    Ein junger Matrose, der eine Tellermütze auf dem Kopf trug, von der hinten zwei lange Bänder wehten, antwortete: „Der Pilot!“ — Er sprach das Wort englisch aus, so daß es wie „Peilot“ klang, mit der Betonung auf der ersten Silbe.
    „Nie gehört“, sagte Monika.
    „Der Lotse!“ erklärte der Matrose geduldig. „In den meisten Häfen kommt ein Lotse an Bord, um ein Schiff hinein- oder hinauszuführen.“
    „Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“ fragte Ingrid.
    „Wir nennen den Lotsen eben ,Pilot’!“
    „Auch wenn man zur See fährt“, meinte Monika, „ist das noch kein Grund, um seine Muttersprache zu vergessen.“
    Wie von Geisterhand berührt, schob sich die Gangway zusammen. Der Matrose packte das Paket, zog es an Bord und schloß die Reling. Am Achtersteven — ganz hinten, weit hinter dem Swimming-pool — stand ein Offizier, ein Sprechgerät, ein sogenanntes Walkie-talkie, in der Hand.
    „Was macht der denn da?“ fragte Monika den Matrosen.
    „Das ist unser zweiter Kapitän. Er steht in Sprechverbindung mit dem
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