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Komische Voegel

Komische Voegel

Titel: Komische Voegel
Autoren: Gerbrand Bakker
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sehen. Für mein Empfinden sind das Fremdkörper. Ist es bei mir also der Wunsch, eins zu werden mit der Natur, mit Mutter Erde? Im Matsch rein zu sein, zwischen Steinen weich und verletzlich? Sehr taoistisch, wenn ich es recht bedenke.
    Vor kurzem wurde ich von einem Bussard angegriffen, und obwohl mir vor Schreck die Kopfhaut juckte, habe ich selten etwas so Schönes erlebt. Zuerst dachte ich: Fein, schon wieder ein Bussard, dann wurde mir klar, daß der Vogel seinen Kurs nicht ändern würde, ich sah seinen Kopf mit böse blickenden Augen wie eine Kanonenkugel auf mich zukommen und ging endlich so tief in die Hocke, daß die Krallen mich knapp verfehlten. Das Jucken kam natürlich daher, daß mir die Haare zu Berge standen, trotzdem war ich gleich darauf ein bißchen enttäuscht, daß der Vogel keinen zweiten Versuch unternahm. Wäre das vielleicht die Lust schlechthin: von einem Bussard erwischt werden, wenn man nackt im Schlamm liegt oder sich an einen alten Stein preßt? Ach, warum eigentlich nicht …
    Wildschweinfilet
    30. Woche 2008
    Gleich nach dem Mittagessen große Aufregung, weil eine Treibjagd mit Geknall und Geschrei durchs Pijkjeswegje zog. Wir sahen, wie am Grabenrand ein Hase geschossen wurde, Fasane suchten Deckung in unserem Garten. M. wurde wütend, rannte hinaus, schrie auf die Halunken ein. Er rief dann auch die Polizei an, sie kam schnell, aber da waren die Helden natürlich schon in ihren Autos weggerast. Eine unglaubliche Frechheit […] Gestern abend ganz köstlich gespeist: Wildschweinfilet .
    Tagebuch von Hans Warren,
20. Dezember 1997. Ich hatte schon einmal zwei ältere Tagebücher von ihm gelesen und wollte es noch mit einem neuen versuchen. Schöne Urlaubslektüre, dachte ich zuerst. Wenn zum Beispiel Maarten ‘t Hart oder Koos van Zomeren über Tiere und Pflanzen schreiben, lese ich das gern, aber bei Warren kommt es mir gekünstelt vor. Seine Natur-Texte, ob es nun um Trottellummen, Girlitze, Duftveilchen oder Labkräuter geht, haben etwas höchst Pedantisches und Angestrengtes.
    Und dann stieß ich auf den oben zitierten Abschnitt. Ohne eine Spur von Ironie, Relativierung, Humor. Wie hat sich Warren das Ende des fraglichen Wildschweins vorgestellt? Als natürlichen Tod? Und der letzte Gedanke des Tieres war dann wohl: Schön, jetzt lande ich auf Hans Warrens Teller? Bekanntlich werden Wildschweine geschossen, von Jägern mit dem Schießgewehr. Dieses Jahr müssen in unserem Land 5200 geschossen werden, um die Population auf dem Vorjahresstand zu halten. Das Nahrungsangebot für Wildschweine ist im Augenblick so reichlich, daß sich sogar weibliche Überläufer (so nennt man die einjäh
rigen Tiere) schon fortpflanzen. Die Folge ist Übervölkerung.
    5200 Wildschweine mit einem reinen Fleischgewicht von durchschnittlich 25 Kilo, das ergibt mindestens 130 000 Kilo Schweinefleisch. Wer soll das alles essen? Ich nicht, ich finde es widerlich, und Warren ist schon tot, der ißt nie mehr Wildschwein.
    Lachmöwe und Queller
    31. Woche 2008
    Wir waren mit einer größeren Gruppe in Den Oever unterwegs und aßen in einem Fisch-Imbiß im Hafen. Ich nahm ein Schälchen Queller und wollte alle anderen einmal probieren lassen, meine Brüder waren da, Leute aus Deutschland und aus Zaandam, und ich vermutete, daß längst nicht jeder Queller kannte. Das Schälchen kostete nur 1,50 Euro, aber fast niemand mochte das Wildgemüse. »Schmeckt salzig«, lautete der stereotype Kommentar. Es war bedeckt, nur eine asiatische Gesellschaft blieb noch vor dem Lokal sitzen, bis sie vor einem Julischauer flüchten mußte. Einer der Männer hinkte ganz furchtbar, trotzdem wirkte auch er fröhlich.
    Nach dem Schauer ging ich zum Rauchen wieder nach draußen. Ich war ganz allein auf der klatschnassen Terrasse, bis auf eine steinalte Lachmöwe. Zweimal versuchte sie wegzufliegen und stieß dabei mit dem Kopf hart gegen den gläsernen Windschutz. Nach dem zweiten Mal ließ sie sich torkelnd auf einem der Tische nieder, doch auch das klappte nicht, weil ihre Schwimmfüße auf dem nassen Kunststoff
keinen Halt fanden. Sie rutschte auf dem Po vom Tisch herunter und versuchte ein drittes Mal vergebens durch eine der Scheiben zu entkommen. Trotz allem wahrte sie eine gewisse Würde; matt, aber selbstbewußt blickte sie mit den kleinen Äuglein im dröhnenden Schädel in die Welt hinaus, ohne etwas Bestimmtes anzusehen. Ich trieb sie durch den einzigen Ausgang ins Freie. Dann schaute ich ihr noch dabei zu, wie sie
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