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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
Autoren: Jo Nesbø
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das nicht nennen.
    Harry zog die Nase hoch und fragte sich, ob die Riesentropfen in seinen Augenwinkeln hängenbleiben würden oder ob er sie wegwischen musste, bevor sie sich auf den Weg über die Wangen machten.
    Sie hatte ihn gefragt, warum er darauf bestand, kirchlich zu heiraten, wo er doch ungefähr so religiös wie eine chemische Formel sei. Das Gleiche galt für sie, trotz der katholischen Erziehung, die sie genossen hatte. Harry hatte geantwortet, dass er vor ihrem Haus einem fiktiven Gott versprochen hatte, dieses idiotische Ritual über sich ergehen und ihre Ehe im Namen Gottes weihen zu lassen, falls das alles gut ausging. Rakel hatte laut gelacht und gesagt, das sei kein Gottvertrauen, sondern eine avancierte Form von Knochenpoker, Kindereien, dass sie ihn aber liebte und natürlich in einer Kirche heiraten würde.
    Nachdem sie Oleg befreit hatten, hatten sie sich in einer einzigen Umarmung wiedergefunden. Eine lange, stille Minute, in der sie drei einfach nur dagestanden und sich gedrückt und gestreichelt hatten, um sicherzugehen, dass keiner verletzt war. Der Knall und der Geruch des Schusses hingen noch immer in der Luft, sie mussten warten, bis das weg war, ehe sie weitermachen konnten. Anschließend hatte Hole sie alle an den Küchentisch gebeten und ihnen Kaffee aus der Maschine eingeschüttet, die noch lief.
    Er hatte sich hingesetzt, einen Schluck aus seiner Tasse genommen und einen Blick auf den Toten geworfen, der nur wenige Meter entfernt auf dem Flur lag. Als er sich wieder umgedreht hatte, war ihm Rakels fragender Blick begegnet: Warum hatte er nicht längst die Polizei gerufen?
    Harry hatte einen Schluck getrunken, in Richtung der Odessa genickt, die auf dem Tisch lag, und sie angesehen. Sie war eine intelligente Frau. Er musste ihr nur Zeit geben. Dann würde sie zur gleichen Schlussfolgerung kommen. Wenn er die Polizei anrief, schickte er Oleg damit direkt ins Gefängnis.
    Irgendwann hatte Rakel verstanden und langsam genickt. Wenn die Kriminaltechniker die Odessa untersuchten, um sicherzugehen, dass das Projektil in Folkestads Kopf auch aus dieser Waffe stammte, würden sie sofort die Verbindung zu dem alten Mord an Gusto Hanssen herstellen, bei dem die Mordwaffe nie gefunden worden war. Schließlich wurde nicht jeden Tag jemand mit einer 9x18 mm Makarov-Kugel getötet. Und wenn diese Waffe mit Oleg in Verbindung gebracht werden konnte, würde er wieder festgenommen und verurteilt werden. Das Gericht würde das unwiderruflich als entscheidenden Beweis werten.
    »Tut, was ihr tun müsst«, sagte Oleg. Er hatte die Situation längst durchschaut.
    Harry hatte genickt, den Blick aber nicht von Rakel genommen. Es musste vollkommene Einigkeit herrschen. Ein gemeinsamer Entschluss sein. Wie jetzt.
    Der Pastor war mit seiner Bibelstelle fertig, die Anwesenden setzten sich, und der Geistliche räusperte sich. Harry hatte ihn gebeten, die Predigt kurz zu halten. Er sah, wie seine Lippen sich bewegten, sah die Ruhe in seinem Gesicht und erinnerte sich, dass Rakel an jenem Abend die gleiche Ruhe ausgestrahlt hatte. Sie hatte die Augen fest geschlossen, und als sie sie wieder geöffnet hatte, war diese Ruhe da gewesen. Als hätte sie sich erst vergewissern müssen, dass es kein Alptraum war, aus dem man einfach aufwachen konnte. Schließlich hatte sie seufzend gefragt:
    »Was können wir tun?«
    »Brennen?«, sagte Harry.
    »Brennen?«
    Harry hatte genickt. Brennen und Beweise vernichten. Wie Truls Berntsen das immer machte. Der Unterschied war, dass Brenner wie Berntsen dafür Geld bekamen. Das war alles. Einen weiteren Unterschied gab es nicht.
    Und dann hatten sie losgelegt.
    Er hatte getan, was er tun musste. Sie hatten getan, was sie tun mussten. Oleg hatte Harrys Wagen von der Straße in die Garage gefahren, während Rakel die Leiche in Plastiksäcke gewickelt und Harry aus einer Persenning, Seilen und zwei Aluminiumrohren eine provisorische Bahre gebaut hatte. Nachdem sie die Leiche in den Kofferraum verfrachtet hatten, hatte Harry die Schlüssel des Fiats mit raus auf die Straße genommen. Harry und Oleg waren mit beiden Wagen ins Maridalen gefahren. Rakel hatte unterdessen alle Spuren im Haus beseitigt.
    Am Grefsenkollen war bei dem Regen und der Dunkelheit wie vermutet keine Menschenseele unterwegs gewesen. Trotzdem hatten sie einen der kleineren Wege genommen, um sicher zu sein, auf niemanden zu stoßen.
    Der Regen hatte den Transport des Leichnams erschwert, andererseits wusste Harry,
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