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Koerper, Seele, Mensch

Koerper, Seele, Mensch

Titel: Koerper, Seele, Mensch
Autoren: Bernd Hontschik
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Medizin zurückkehren. Dabei werden die genannten Begriffe der Integrierten Medizin immer wieder auftauchen, die sich aus der Semiotik, dem Konstruktivismus und der Systemtheorie entwickelt haben. Sie sollen dazu dienen, mehr und anderes zu verstehen, als es das dualistische Modell erlaubt, dem die Schulmedizin so unerschütterlich verhaftet bleibt. Anhand von Beispielenaus meinem chirurgischen Alltag, der Blinddarmoperation und der Behandlung schwerstverletzter Motorradfahrer, beschreibe ich im nächsten Kapitel meine ersten Grenzüberschreitungen im Umgang mit dem dualistischen Menschenbild in der Chirurgie. In den darauffolgenden Kapiteln soll dann das Gegenmodell deutlich erkennbar werden: So läßt sich an der Wirkungsweise des Placebos zeigen, wo die Vorstellung vom Menschen als einer Maschine an ihre Grenzen stößt und sich statt dessen das Konzept der Integrierten Medizin bewährt; und auch die Geschichte eines Patienten mit einer hartnäckigen Wundheilungsstörung und der Fall eines an Krebs erkrankten Mannes, der eine besondere Beziehung zu seiner Ärztin aufbaut, sind weitere Puzzleteile, die das Menschenbild der Integrierten Medizin vervollständigen. Zum Schluß geht es am Beispiel der Psychosomatik um den Begriff der Ganzheitlichkeit, der häufig falsch oder mißbräuchlich verwendet wird; solange sich die Schulmedizin am zweigliedrigen Modell vom Menschen als einer trivialen Maschine orientiert, wird die Psychosomatik immer nur eine Notlösung – wenn auch eine unverzichtbare – bleiben. Gibt man dieses Leitbild aber auf, so könnte die Psychosomatik schlicht zu einem Synonym für menschliche, für Humanmedizin werden.

5. Mein Blinddarm, mein Motorrad und ich:
Psychotherapie mit dem Skalpell und Ikarus-Syndrom
    In diesem Kapitel geht es um Jugendliche in der Pubertät und der Adoleszenz. Der Übergang von einem Lebensabschnitt in den nächsten – im Fall der Pubertät ist es der Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein – ist häufig mit einer Lebenskrise verbunden. An sich ist das nichts Ungesundes, aber erstaunlich häufig sind Lebenskrisen mit Erkrankungen, auch chirurgischer Art, verknüpft.
    Was Adoleszenz ist, wird nicht in der Medizin definiert, sondern in der Gesellschaft. Wenn Adoleszenz »eine lebensgeschichtliche Phase [ist], in der der Zusammenhang zwischen körperlichen, psychischen und sozialen Prozessen besonders deutlich wird« (Flaake/King 1992), müßte sich die Medizin eigentlich auch in ganz besonderer Weise mit diesem Lebensabschnitt befassen. Tatsächlich aber gibt es zwar Kinderkrankheiten, Kinderärzte und eine elaborierte Kinderheilkunde, ebenso wie es Ärzte aller Art für die Erwachsenen gibt, die Adoleszenz aber wird in der Medizin weitgehend ignoriert. (Vielleicht ignorieren allerdings auch die Adoleszenten die Medizin?) Betrachtet man die Adoleszenz als eine Lebensphase, in der besonders das sexuelle Erwachen, Orientieren, Verhalten und Erleben eine rasante Entwicklung nehmen und körperliche Veränderungen besonders rasch und einschneidend geschehen, wäre also nicht ein ›Jugendlichenarzt‹, sondern ein Arzt für männliche Jugendliche, ein anderer für weibliche Jugendliche sinnvoll. Aus der chirurgischen Perspektive heraus ist es interessant zu sehen, daß es indiesem Lebensabschnitt zu bestimmten altersspezifischen Krankheiten kommt, die einer operativen Therapie bedürfen.
    Weibliche Jugendliche kommen so gut wie immer über Bauchschmerzen mit der Chirurgie in Kontakt. In meiner Zeit als Krankenhauschirurg hatte ich mit keiner Patientengruppe mehr Auseinandersetzungen als mit diesen Patientinnen bzw. deren Müttern. Immer ging es dabei um die Frage der Blinddarmoperation, die von den Müttern gefordert wurde. In meiner Ausbildung hatte ich zwar gelernt, daß man lieber eine Blinddarmoperation zu viel als zu wenig durchführen solle, aber ein Großteil dieser Eingriffe wurde meinem Eindruck zufolge auch deswegen gemacht, um Streit mit den Patienten und deren Angehörigen zu vermeiden. Dabei ist zu beachten, daß die Appendizitis, die sogenannte Blinddarmentzündung, zwar in jedem Lebensalter vorkommen kann, besonders häufig aber bei Jugendlichen und da vor allem bei Mädchen.
    Der folgende Fall aus dem Alltag einer chirurgischen Krankenhausambulanz in einer westdeutschen Großstadt zeigt, wie eine solche Konsultation ablaufen kann. Die Patientin ist ein 14jähriges Mädchen, das an einem Montag mit der Diagnose »rezidivierende subakute Appendizitis«
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